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I.

Bellrem.

Die junge Morgensonne
Blitzt aus dem Schoos der Nacht
Wie lustverklärtes Auge
In heiliger Flammenpracht.
Sie küßt wie sehnsuchttrunken
Mit liebeheißem Strahl
Den Wald, den Fluß, das Dörflein
Im schönen Nagoldthal.

Doch wie mit leisem Trauern
Grüßt sie Schloß Weißenstein,
Das düster in des Morgens
Strahlwonne ragt hinein,
Und aus des Dörfleins Frieden
Wie Todesschatten steigt,
Wie eine bange Klage,
Die tiefes Weh bezeugt.

Wie mahnend, flehend aber
Ihr Blick auf Bellrem ruht,
Der schweigend starrt vom Söller
In ihre Rosenglut.
Und mag sie glüh´n und leuchten,
Verklären ganz die Welt,
Kein Lächeln leiser Wonne
Sein Antlitz mehr erhellt.

Er schaut hinab zum Thale,
Sieht seine Frühlingspracht:
Er schaut das Berggelände
Mit heimlicher Tannennacht,
Sieht fröhliche Hirten ziehen
Mit Heerden in bunten Reih´n,
Er hört die Glöcklein schallen,
Die flötenden Schallmei´n.

Er sieht die Lerche steigen
Aus blumigem Feld empor
Vernimmt durch die Morgenstille
Wohl ihren Sonnenchor,
Das Lied vom Frühlingsglauben,
Das selbst in Gräber dringt,
Durch alle Lande jubelnd
Der Freude Botschaft singt.

Die Winde hört er flüstern,
Das heilige Gottesweh´n,
Entfesselnd und belebend
Zum Frühlingsauferste´n.
Und doch - statt aufzujubeln
Von Lieb‘ und Lust geschwellt, -
Schaut dumpf er, gramverfinstert
Die herrliche Frühlingswelt.

Was mag dies Leid ihm schaffen,
Das wund das Herz ihm schlägt,
Von wannen der Unmuth stammen,
Den seine Seele hegt? -
Doch horch! wie wunderlieblich
Strömt Nachtigallenschlag
In seligen Melodien
Jetzt auf vom nahen Hag!

Wie milder Trost des Himmels,
Wie segnend Muttergebet,
Wie langes, süßes Heimweh,
Wie Liebessehnen fleht,
Wie Freude hell aufjubelt
In kühnem Hoffnungsdrang,
So schmeichelt in die Seele
Sich Nachtigallgesang.

Und wie ein magischer Zauber
Umstrickt er ganz das Herz
Und weckt in seinem Busen
Verjährten Sehnsuchtsschmerz
Und trägt auf raschen Flügeln
Kühn von der Erde Strand
Den Geist in seiner Liebe
Verlorenes sel‘ges Land.

Aus seinem dumpfen Brüten
Ist Bellrem auch erwacht;
In seine düstre Seele
Drang auch des Liedes Macht.
Und feurig sprüht sein Auge
in trunknem Hoffnungsmuth
Und zitternd flüstert die Lippe
In heißer Sehnsuchtglut:

"O selig Land der Liebe,
Das mir schon längst entschwand,
Dich muß ich wieder schauen
Mein heilig Morgenland!
Wo ich in freier Jugend
So froh und glücklich war,
Wohin ich einst gezogen
Mit Friedrich`s Heldenschaar."

"Im Bunde heil´ger Streiter,
Mein Herz so muthesvoll,
Das ganz in Lust und Glauben
Beseligt überquoll:
Da war mein Leben Frühling
Da war´s ein Maientag
Mit purpur´ner Morgenröthe,
Mit hellem Lerchenschlag!

"Doch du sollst wieder kehren
Du schöne Frühlingszeit!
Und Herz dir Ruhe werden
Nach deinem heißen Streit!
Dort wo auf jedem Pfade
Der Gnade Blume blüht
Muß auch die Qual verstummen,
Die heiß im Innern glüht."

"Dort, wo der Gottgesandte
Sein Blut für uns vergoß,
Und sterbend noch voll Liebe
Die ganze Welt umschloß,
Winkt mir der Kranz der Sühnung,
Da strömt der heil´ge Quell,
Mit dessen Trank die Seele
Sich badet rein und hell!"

"Drum auf die nächste Frühe
Nicht zögr´ ich länger mehr,
Kaum fällt von Schloß und Heimath
Die Trennung mir noch schwer.
Auf auf zum Morgenlande,
Fort, fort und ohne Rast
Bis du an Joppe´s Strande
Geküßt die Erde hast!"

Er spricht´s und neigt das Antlitz,
Umrankt von süßem Traum
Erwachten Liedern lauschend.
Dann flüstert er hörbar kaum:
"Und sie auch werd ich finden,
Die schönste aller Frau´n.
Zuleima werd ich sie wieder,
Die heißgeliebte schau´n!"

Sieh da! wie finster plötzlich
Die Zornesader grollt,
Wie Blicke wilden Zornes,
Er sprüh´nde Blicke rollt!
Wie bleich sind seine Wangen,
Wie seine Lippe bebt,
Und zitternd an der Brüstung
Der Söllers er sich hebt!

"Weh mir! der dunkle Schatten!
Weh mir! er schleicht heran!
Er faßt - er hält mich glühend -
Er spricht mich zürnend an!
Still, still! ich will ja sühnen,
Sprich nur den Fluch nicht aus!
O laß, laß hier mir Frieden
In meiner Väter Haus!"

Weh mir! es ist geschehen!
Fluch mir und Schmach und Noth!
Das einz´ge Glück des Mörders
Ist nur der Tod - der Tod!"
Er ruft´s und sinkt zusammen,
Wie jach im Wetterlicht
Zerschlagen die stolze Tanne
In morsche Trümmer bricht!

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