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VI.

Bellrem´s Erwachen.

Vom Bett fährt Bellrem stöhnend auf
Den Träumen zu entflieh´n,
Die, - des Gewissens wilde Jagd -
Wehheulend foltern ihn.
Die heiße Stirne preßt er fest,
Fest an die kühle Wand,
Als könne er gebieten so
Dem heißen Fieberbrand.

Als könne er gebieten dann
Der Fieberungeduld,
Die ihm in´s Ohr raunt fort und fort:
"Flieh, flieh vor deiner Schuld!"
Springt er vom Bette schnell herab,
Rasch kleidet er sich an.
Hinaus, hinaus in Flur und Wald
Lockt ihn ein schneller Wahn.

Da grüßt ihn hell das Morgenlicht;
Ihm scheint´s wie Blut so roth,
Das aller Welt verkünden soll
Zuleima´s, Volberts Tod.
Einsame Wand´rer sieht er zieh`n,
Aus jedem Angesicht
Sieht er das Zeichen seiner Schuld:
Fort kann er streifen nicht.

Doch furchtbar vor das schuld´ge Herz
Tritt auf die Einsamkeit;
Sie rauscht, wie über´s Blutfeld hin
Ein hungernder Rabe schreit.
Sie lockt hervor, was gern das Herz
In tiefstem Grund bewahrt,
Bis sie´s in geisterhaften Bild
Schuldmahnend offenbart.

Erschreckt schließt er das Auge zu,
Doch malt die Innenwelt
Furchtbarer noch des Herzens Schuld,
Weil jeder Schleier fällt.
Er stöhnt und möchte weinen gern,
Auch dies ist ihm verwehrt.
Vertrocknet ist sein Herz, sein Blick:
Die Schuld, die Schuld verzehrt!

Zerknirscht sinkt er zu Boden nun;
Ruh, heischt er müd´ von Gott,
Und aufwärts zittern Blick und Hand
Und doch - sein Wort wird Spott.
Er spottet seiner Ohnmacht grell,
Die betet und vergißt,
Was tief er fühlt, daß Gottes Aug`
Ein Blitz dem Frevler ist.

"Auf schafft mir Wein! Ha goldnen Wein!
Herbei mit einem Krug!
Vergessen trinke ich daraus
Und Lust mit jedem Zug!"
Er ruft´s in greller Fröhlichkeit
Und tanzt und jauchzt und springt,
Indeß sich um sein Lippenpaar
Ein böses Zucken schlingt.

Der Knappe bringt den Wein herbei
Und füllt ihm den Pokal.
Drin sprudelt dunkelroth der Wein
Wie frischen Blutes Strahl.
Entsetzt reißt von den Lippen sich
Bellrem die rothe Flut
Und donnert: Teufel ! warum bringst
Statt Wein du Blut, ja Blut!? -

Und als der Knappe fragend steht,
Treibt er ihn fluchend fort.
Da plötzlich taucht in seinem Geist
Auf seines Lehrers Wort:
"Ziehst heute du kein Schwert, erscheint
Dir bessre Zeit mein Sohn!"
Das raunt ihm zu, das foltert ihn
Mit Reue, Schmerz und Hohn.

Ist´s möglich, daß so blind ich war
Und hab´ mein Glück verscherzt?
Ich raubte selbst mir Glück und Ruh?
Wie das nun nagt und schmerzt!
Es ist ein Wahn, es ist ein Traum
Ein schwerer Traum der Nacht!
Ich glaub´ dir´s nicht du tolles Hirn
Daß ich - den Mord vollbracht!"

"Gewiß das Wort des Lehrers rief
Vom Freveln mich zurück.
Ich glaub´ dir´s nicht du tolles Herz!
Nicht raub` ich selbst mein Glück!
Ich bin nur krank - ich fühl mich matt.
Ein Fieber muß das sein
Was fröstelnd durch die Adern rinnt
Und schauert durch´s Gebein!"

"Wenn dieser schwere Traum vorbei,
Erfüllt sich jenes Wort.
Des Elends Rest ist dieser Traum:
Die Freude scheucht ihn fort!"
Und wie er so mit falschem Trost
Die müde Seele letzt,
Sieht sein Gewand er blutbefleckt,
Auf springt er da entsetzt.

"Ha Blut! - des Freundes heilig Blut
Zuleima´s Blut - und ich!
Ich bin´s, der´s meuchelmörderisch
Vergoß und feig entwich.
O daß ich nie geboren wär!
Ich schaudre selbst vor mir!
Vernichtung! mir kein Leben dort!
Kein Leben ferner hier!

Haha! ´s ist lustig anzuschau´n!
Nach langem Gram winkt Glück!
Und ich stoß es in trunk´ner Wuth
Durch einen - Mord zurück!
Ein Narr, ein Teufel, ein Tyrann
Kann handeln nur wie ich!
Kein Trost und keine Gnade mir
Vernichtung nur für mich!

So klagt er stöhnend, klagt in Wuth,
In tiefster Reue Qual,
Zerrauft sein Haar, zerrauft den Bart,
Verflucht sich tausendmal,
Bis müde er zusammensinkt
Und den gehetzten Geist
Wohltätig eine Ohnmacht mild
In Frieden ruhen heißt. -

Als abendlicher Friedensschein
Durchglüht das Nagoldthal,
Ruht er auf einem Pilger auch
Mit wehmuthvollem Strahl.
Der Herr des Thales wandert fort.
Bellrem wallfahrt´ nach Rom,
Zu sühnen seine schwere Schuld
Dort in St. Peters Dom.

Durch seinen Knappen ließ zuvor
Dem Vaihinger vertrau´n
All seine Schätze er, daß der
Ein Kloster mög´ erbau´n.
Und durch denselben Knappen ließ
Er auch Ambrosius,
Den er zu sprechen nicht gewagt
Verkünden Wunsch und Gruß:

"Weil ich nicht deinem Wort gefolgt
Bin elend worden ich.
Ein armer Pilger zieh ich fort -
O bete du für mich.
Auch schütze du als Schirmvogt treu
Mein Schloß und Weißenstein,
Bis ich - mit meinem Gott versöhnt -
Zieh´ wieder bei Dir ein!"

So wandert Bellrem fort nach Rom,
Zu sühnen seine Schuld.
O leucht´ ihm blühend Abendroth
In´s Herz Versöhnungshuld.
Ihr Vöglein singt, ihr Bäume rauscht,
O flüstre Abendhauch:
"Gott ist die Liebe - und versöhnt
Dein reuig Herz wohl auch!"

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