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V.

Im Ammerthale.

Hoffnungzündend Sternenlächeln,
Silberblüh´nde Mondespracht,
Senkt in´s Ammerthal hernieder
Traumesschwüle Sommernacht.
Reicher duftet jede Blüthe,
Muntrer, muntrer rauscht der Fluß,
Als ob sie die Nacht gesegnet
Mit der Freude reichstem Kuß.

Wie der sommernächtige Zauber
Hier so reich das Thal verschönt
Hat des Menschen wild Gemüthe
Liebend er auch wohl versöhnt!
Reicht er nicht des Friedens Schaale
Mit der Hoffnung Grün bekränzt
Jedem leidzerschlagnen Wandrer,
Das sein Herz auch blüht und lenzt?

Dort auf windesschnellen Rossen,
Wie gehetzt von Höllenqual
Jagen Volbert und Vaihinger
Durch das friedestille Thal!
Nicht der tiefe, tiefe Frieden,
Welcher durch die Auen weht
Sich im Nachthauch aufwärts schwinget
Als der Schöpfung still Gebet;

Nicht das Lied der Nachtigallen,
Das da Liebe, Liebe singt,
Nicht der Bergkapelle Glöcklein,
Das wie Geistergruß erklingt,
Kann die Flüchtigen verweilen
Dämpfen ihre Leidenschaft,
Welche ihre Seele foltert,
Die sie fort trägt sturmeshaft.

Aufgereizt zum Wahnsinnsbrande
Hat des Weines rasche Gluth
Ihrer Seele finstern Dämon,
Der da heiß begehrt nach Blut.
Nach Gebot der Beiden wandert
Ihr Gefolge andern Pfad,
Gleich, als wollten Sie begehen
Eine menschenscheue That.

Als sie so nach scharfem Ritte
Durch das Ammerthal gesprengt,
Machen Rast sie nah der Straße,
Rings von Buschwerk eingeengt. -
Todtenstille ! Immer näher,
Näher rückt die Mitternacht.
Da bricht Vaihinger das Schweigen,
Schaut zu Bellrem hin und lacht.

"Habt doch da besondre Schnurren
Ausgeheckt im Morgenland;
Aber fast in Volberts Hitze
Garstig euch verbrannt die Hand.
Immer aber ist die Sache
Mit der Dirne wunderbar,
Darum legt von euern Sünden
Offenes Bekenntniß dar.

Das entfesselte des Ritters
Mühesam verhalt´ne Wuth.
Heftig bebte er. Sein Auge
Leuchtete von greller Gluth.
Krampfhaft ballte er die Fäuste,
Hob sie zitternd himmelwärts,
Als ob da dem Himmel fluchen
Wollte sein umnachtet Herz.

"Kurz ist die Geschichte," sprach er
Mit verbiss´nem inn´gem Grimme
Und begann - oft unterbrechend -
Mit vom Trunke heis´rer Stimme:
"Vor Jerusalem wir lagen,
Da der Kaiser vom Sultan
Waffenstillstand wollt´ erzwingen,
Ehe er den Sturm begann."

"Poltringer und ich, wir waren
Viel beisammen; frühe schon
Kannten, liebten wir uns beide,
Da er eines Oheims Sohn.
Ja beim Teufel, wie ein Bruder
Bin ich auch an ihm gehangen,
Ehe die teuflische Geschichte
Mit der Türkin losgegangen."

"Einst erzählte er, daß eine
Heidin sei gefangen worden
Wie er kaum vermocht die Andere,
Sie nicht grausam hinzumorden.
Wie sie weinend ihn gebeten,
Ihr doch auch den Tod zu geben,
Da ihr Vater, ihre Brüder
Ließen in der Schlacht ihr Leben."

"Doch er habe ihr verkündet
Nachdem er ihr erst verlieh´n
Seines Helmes Wappenrose,
Daß sie frei jetzt könne zieh´n.
Es war Mitternacht. Der fernste
Wachplatz war mein Aufenthalt.
Seht da zeigte mir das Mondlicht
Eine weibliche Gestalt."

"Zu mir lenkte sie die Schritte,
Plötzlich stand sie auch vor mir." -
Bellrem stockte, als ob leise
Schauer ihn berührten hier. -
"Sie war es, die Ihr gesehen:
Als ich staunend sie betrachtet
Fühlt´ ich plötzlich meine Sinne
Wie von Zauberwerk umnachtet."

"Da hub sie auch an zu reden,
Aber ich verstand sie nicht,
Ihre Sprache. Sinnlos starrt´ ich
Stets nur in ihr Angesicht.
Da, da zeigte sie die Rose,
Welche Volbert ihr verlieh´n.
Nun verstand ich ihr Begehren,
Sprechen wollte wohl sie ihn."

"Das ertrug ich nicht. Im Stillen
Schwur ich: "Mein sollst werden Du!"
Sollt´ es auch mein Leben kosten,
All´ mein Glück und meine Ruh."

"Also täuscht ich sie und führte
Sie zu einer Jüdin hin,
Welcher ich befohlen hatte,
Umzuändern ihren Sinn,
Da mit Trotz und unter Thränen
Sie mein Lieben stieß zurück
Und kein einzig fröhlich Lächeln
Mir verhieß ein fernes Glück."

"Heute quält ich sie, um Morgen
Wiederum sie anzubeten.
Auch vergebens! denn mein rasend
Lieben ward mit Hohn getreten.
Eines Tag`s war sie entschwunden.
Meiner Wachsamkeit zum Hohn
War sie aus der Haft der Jüdin
In des Kaisers Zelt gefloh´n."

"Dort sie Schutz und Rache suchte
Und sie wurden ihr gewährt:
Volbert traf mich gut im Zweigang
Und ich war im Heer entehrt.

"Die Geschichte ist zu Ende.
Jener Jüdin gab ich Geld
Und geheimen Auftrag, welchen -
Wie ich wähnte - sie bestellt.
Dann ergriff trotz meiner Wunde
Ich die Flucht. Eh ich gefloh`n
Hörte ich, daß seine Opfer
Schnell mein Gift gefordert schon."

"Da verfolgte seelenfolternd
Mich seitdem ein finstrer Geist.
Trauer war´s um sie und Reue,
Die um´s Blutfeld ewig kreist.
Ha! - da seh ich sie lebendig,
Mußte dulden, was er sprach!
Bei der Hölle! nimmer leben
Will ich nun nach dieser Schmach!"

Aber Rache will ich nehmen,
Rache hier an diesem Ort.
Sterben müssen sie! Die Hölle
Packe mich bei diesem Wort!
"Und auch ich," schrie Konrad wüthend,
"Habe Schulden auszugleichen
Treulich will ich sie bezahlen,
Daß der Bube muß erbleichen."

"Warte nur! Nicht allzulange
Steh´n wir hier die stille Wacht,
Da sie ja das Schloß verlassen
Wollten noch vor Mitternacht!"
Also sprach er; unterdessen,
Senkten düstre Wolken sich
Vom Gebirg in´s Thal hernieder,
Unheilschwanger, fürchterlich.

Donnerrollen in der Ferne!
Durch das Thal der Lüfte Weh´n,
Das vor jedem Wettersturme
Will als Mahnungsbote geh´n.
Dunkel ist das Thal geworden
Wie das Thal der Unterwelt,
Manchmal nur von grellen Blitzen
Graus und geisterhaft erhellt.

Wie des Donners Schläge dröhnen
Schnellern, stärkern, dumpfern Klang;
Wie die Ritter krampfhaft lauschen
Auf der Nachtluft leisen Gang.
Wie der Tiger lauscht im Dickicht,
Lauern sie in wilder Wuth
An der Strasse, bis zum Wahnsinn
Aufgereizt von Weines Glut

"Horch! rief Bellrem, "hörst du Hufschlag?"
"Nein! Hörst nicht sein Scherzen Du?
Wie er doch der Dirne schmeichelt!"
Rief ihm Konrad tückisch zu.
Fürchterlicher dröhnt der Donner,
Heulend fährt der Wind durch´s Thal
Auf der Ritter blanken Schwertern
Zuckt in Gier des Blitzes Strahl.

"Schurke halt!" ruft Konrad plötzlich
Und mit Zornesallgewalt
Brechen Bellrem und Vaihinger
Fechtend aus dem Hinterhalt.
Fürchterliche Donnerschläge
Uebertäuben das Gefecht,
Das Verzweiflung führt mit Wahnsinn,
Der zum Morde sich erfrecht.

Und ein Blitzstrahl folgt zermalmend
Furchtbarer ein Donnerschlag -
Dann folgt Stille. Tiefe Stille
Wie an einem Sarkophag.
Ausgerungen hat das Wetter;
Aus den Wolken lächeln schon
Mond und Sterne: Frieden, Frieden! -
Konrad, Bellrem sind entfloh´n!

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