Pforzheims’s Vorzeit.
Für Pforzheim und seine Umgebungen.

Du kleiner Ort, wo ich das erste Licht gesogen,
Den ersten Schmerz, die erste Lust empfand;
Sey immerhin unscheinbar, unbekannt,
Mein Herz bleibt ewig doch vor Allen dir gewogen! Wieland.

Nro. 4. Samstag den 24. Januar. 1835.

Ueber das alte Holzwesen.

Der älteste eigenthümliche Nahrungszweig der hiesigen Stadt ist das Floßwesen. So weit wir die Spuren des Vorhandenseyns unserer Stadt urkundlich in das Alterthum zurück verfolgen können, fast eben so weit reichen auch die sichern Angaben über das Daseyn einer geordneten Flößerei. Es war sehr natürlich. Die obern Gegenden der Enz und Nagold, zum Theil auch der Würm, sind überreich an Holz; in den untern dagegen bis zum Ausflusse der Enz in den Neckar ist der Boden für Waldpflanzungen wenig geeignet. Seit wann eigentlich dieses Verflößen des Bau- und Nutzholzes aus holzreichen in ärmere Gegenden besteht, kann nicht ausgemacht werden. Die ersten Spuren davon finden sich für unsere Gegend im 14ten Jahrhunderte. Am wichtigsten ist dafür die Vertragsurkunde zwischen Baden, Würtemberg und Heilbronn, in Betreff des Flößens auf dem Neckar, der Enz, Nagold und Würm vom Jahre 1342, die wir unsern Lesern mittheilen wollen. Zwar ist darin nicht ausdrücklich gesagt, ob schon damals hier eine Flößerzunft bestand; aber es läßt sich aus dem Inhalte der Urkunde sicher schließen. Hier mußte eine Hauptstation seyn, da die Enz durch die Aufnahme der beiden andern Flüße erst hier völlig flößbar wird, und es läßt sich mit Gewißheit annehmen, daß da, wo eine Hauptstation und mithin die beste Gelegenheit für diesen Erwerbszweig war, auch viele Hände sich damit beschäftigen.

Schon diese Urkunde sichert, wenn wir auch der durch ihre Mischung von richtigen Angaben und mittelalterlichem Aberglauben räthselhafte Wundergeschichte von dem durch die Juden gemordeten Christenmädchen in Bezug auf die Flößerei keinen Werth beilegen, dieser, und somit auch der Aue, ein hohes Alter.

Die Urkunde hat aber noch einen andern Werth. Nicht selten findet man noch die Angabe, daß die Verflößung des Holzes in ärmere Gegenden eine französische Erfindung aus den Zeiten Karls des VII. (um 1430) sey. Die vorliegende, so wie mehrere andere Urkunden, erweisen sie hinlänglich als eine teutsche, wenigstens ein Jahrhundert früher gemachte Erfindung.

Das Nähere über den Vertrag enthält die Urkunde selbst. Die alterthümlichen, weniger verständlichen Wörter und Ausdrücke sind in den Noten erklärt.

Copie Vergleichs zwischen den Fürstlichen Häusern Baden und Würtemberg wegen Flößens auf der Würm, Nagold, Enz und Nekkar von 1342.

Wir Marggraff Rudolph von Baden, vnnd Wir Graue Ulrich von Würtemberg verjehen*d. h. bekennen, eig. bejahen. offentlich an diesem Brieff für Vns, Vnser Erben, vnndt all vnser nachkommen, vnndt thuen kundt allen denen, die In Immer ansehendt, lesendt, oder hörendt leßen, das Wir durch nutz vnndt frommen Vnser, Vnseren Erben, vnnd aller Vnser Nachkommen, vnnd auch durch Bitt der Ersamen weißen Leut, der Burgermeister, das Rhats vnnd der Burger gemeinlich zu Heilbron seyn vbereinkommen, vmb das Flossen uff der Würm, uff der Nagolt, vff der Entz, vnndt vff dem Nekher, also das Wir dieselben Waßer vnnd auch die Straßen*d. h. Wasserstraßen. vff denselben Wassern haben geoffnet, vnndt geoffet, vnd das es immermehr, ewiglich ein geoffnete, vndt geoffente Straß vff denselben Wassern sein soll vndt bleiben zu gleicher Weiß alß hernach geschriben stett.

Von Erst so haben Wir die Würm geuffent, biß geen Pfortzheim in die Entz, vnnd wer daruf Flossen will, der soll von iedem Hundert Zimmerholtz, oder von iedem Hundert Dilen geben zu Zoll, zu Liebenegge an dem Were sechs Heller.

Darnach haben Wir die Nagolt gevffent, bis gehn Pfortzheim in die Entz, vnnd wer darauff Flossen will, der soll von Jedem hundert Zimmerholtz oder von Jedem hundert Dilen geben zu Liebenzell an dem Were zu Zoll sechs Heller, vnndt zu Wißenstein zehn Heller.

Darnach so haben Wir die Entz gevffent, allß fern man darauf geflossen mag bis gehn Bessigkheim in den Nekher. Darnach so haben Wir den Neckher gevffent zu Bessigheim bis gehn Hailbronnen an die Stattmauer, mit solcher Bescheidenheit*d. h. Beschränkung. wer darauf flossen will, der soll von Jedem hundert Zimmerholtz, oder von Jedem hundert Dilen geben, zu der Newenburg*Neuenbürg zu Zoll von zweyen Wehren zwantzig Heller, darnach zu Pfortzheim von vier Wehren viertzig Heller, zu Vtzingen*eigentlich Ottingen, d. h. Eutingen. von einem Wehr vier Heller, zu Rüffern von einem Wehr vier Heller, zu Dürmüntze von einem Wehr vier Heller, zu Lomerßheim von einem Wehr vier Heller, zu Mühlhaußen von einem Weer vier Heller, zu Rossenwage von einem Wehr vier Heller, zu Vayhingen von zweyen Weeren zwantzig Heller, zu dem obern Riringen von einem Wehr zehen Heller, zu dem niedern Riringen an einem Wehr vier Heller, zu Rennickheim von einem Wehr vier Heller, zu Bussingen*d. h. Bissingen an der Enz von einem Wehr vier Heller, zu Bessigkheim von zweyen Wehren, zwanzig Heller; Es ist auch geredt zu welchem Wehr man Zoll gibt alß vorgeschriben stehet, da soll Jeder Herr, oder Jeder Armmann*d. h. arme Mann; damals gewöhnliche Benennung der Unterthanen, hauptsächlich Leibeigener. dem man den Zoll gibt, Schutzbretter an dasselb Wer machen, das zwischen den Seulen sey zwölff Schue weit, vnndt sollen die Schutzbretter bawen vnnd machen, on der Fuhrleut*d. h. Flößer. schaden. Man soll auch zu keinem Vischs vahe*Fischfang, noch Jendert*s. v. a. etwa. anders, dan alß vorgeschriben ist, keinen Zoll, noch nichtzit*d. h. nichts. geben, were auch, das daß Waßer Jendert vergruße, oder vergrundt*d. h. zu groß würde oder verschlammte, zu seicht würde. würdt, oder sonst vnützs würde, das man nicht wohl geflossen mochte, bey weß Wehr oder Mühlen das geschehe, der soll es vffrichten vnndt vertig machen ohn der Furleut schaden.. Es ist auch geredt, was vff den flossen leit vngeuerlich*d. h. leicht – ungefähr. von Holtzs, es seye vff dem Zimmerholtzs; oder vff den Dilen, oder Wehre das man schelleich*d. h. Schäleichen., oder Legschiff*d. h. Nachen an die Floß henck, das soll alles freilichen*d. h. frei., und ohn allen Zoll faren, vnnd geen, vnnd soll auch niemandt den andern vorbietten, noch bekümmern*d. h. belästigen, anhalten., das an den Flössen geirren*Irrung verursachen. oder gehindern möchte, in keinen Weeg ohn alle geuehrde*Gefährde..

Es ist auch geredt was vff den Flossen liege von Holtzes, oder was darauf fehrt von Freileuten, das soll vff und ab fridt vnnd Gleidt*Geleit. Durch gegenseitige Verträge hatten die meisten Fürsten die in jenen unruhigen Zeiten zur Sicherheit des Handels so nothwendige Verpflichtung übernommen, die durch ihr Gebiet reisenden Kaufleute zu schützen. Eine Nachahmung der Städteverbindungen. haben, vor allermenniglich, es seye in Krieg, oder ohne Krieg, dasselb Gleidt sollen auch die Kauffleut die Kauffendt, oder vngeuehrlich kauffen wollen, sie fahren vff den Flossen, oder sie gangen, oder sie Reiten vff dem Landt vff oder ab haben ohn alle geuehrdt, Were aber darwider thett, vnnd den Friden und das Gleidt vberführe oder breche, das sollen Wir Marggraff Rudolff von Baden, vnndt Wir Graff Vlrich von Würtemberg, vndt Vnser Erben, vnnd all Vnser Nachkommen, weren vnnd wenden, alß fern Wir künden und mögen ohn alle gevehrde. Deß zu Vhrkundt vnndt zu einer ewigen Gezeugnuß, haben Wir Marggraff Rudolff von Baden, vnndt Graue Vlrich von Würtemberg, die vorgenanndten, diesen Brieff besiegelt mit Vnsern Insiegeln, die daran hangende, der geben ist zu Stuttgartten an dem weissen Sonntag*Sonntag nach Ostern. da man zhalt von Christi Geburth, dreyzehen hundert Jare, vnndt in dem zwey vundt vierzigsten Jare. (L. S).

Dies die älteste Nachricht über das hiesige Flößereiwesen. Sein Fortgang in spätern Jahrhunderten, so weit derselbe sich noch ausmitteln läßt, bis zur Entwicklung des jetzigen Zustandes in einer spätern Nummer.


Die Hochzeit zu Tübingen.

Eine historische Skizze.
Der Uebel größtes ist die Schuld.
Schiller.

(Schluß.)

Unsere Geschichte macht nun einen Sprung von etwa zwanzig Jahren. Während dieser Zeit hatte sich Vieles geändert. Die Burg Belrems war unterdessen von den Freunden des ermordeten Volberts erstürmt und zum Theil zerstört worden. Ambrosius konnte sie erst nach vielen Jahren in den vorigen Stand versetzen. Kaiser Friedrich II. war indessen gestorben. Man sagt, dieses Ereigniß hätte Belrem bewogen, wieder in seine Heimath zurückzukehren. Er soll lange Zeit zu Rom als Laienbruder in einem Benediktinerkloster Buße gethan haben. Wir können es nicht verbürgen. Er erschien nach Verfluß von zwanzig Jahren wieder auf der Burg seiner Väter mit einer Gemahlin und zwei Kindern, Belrem und Berthold. Aber auch die elterlichen Freuden konnten seinen nagenden Kummer nicht austilgen. Er war fünfzig Jahre alt. Seine Haare und der Bart war ergraut, nur sein Gram war jung geblieben. Wie früher, lebte er meistens allein. In seinen finstern Stunden wüthete er furchtbarer als in früheren Jahren, und selbst der 80jährige Ambrosius konnte ihn nicht mehr besänftigen.

Einst, so melden die Chronikschreiber jener Zeit, sey, als Belrem’s Gemahlin mit ihren zwei Knaben um Mitternacht knieend am Bette des sterbenden Ambrosius gebetet hätten, ein wahnsinniges Weib in seltener Tracht, das rabenschwarze Haar aufgelöst, geisterblassen Angesichtes und mit wildem Auge in der Burg Weißenstein erschienen. Wie sie hereingekommen, habe man nie erfahren können. Wir glauben, es war Zuleima. Sie war lange an einer schweren Wunde darniedergelegen, wurde zwar am Körper gesund, der Geist aber erkrankte auf immer. Mit Blitzesschnelle sey sie die Wendeltreppe hinaufgestiegen zum Thurme, von wo Belrem in dumpfer Verzweiflung hinausgeschaut habe in die Mitternacht; ein Gewitter sey aufgestiegen, und die Bewohner des Thals durch das Rollen des Donners im Innersten erschreckt, hätten sich in die Kirche geflüchtet, um zu beten. Da sey das Weib vor Belrem hingetreten und hätte ihm einige Worte in das Ohr geflüstert, worauf sie schnell verschwunden sey. Die Mutter und die Kinder am Sterbebette des Vaters Ambrosius hätten gleich darauf einen dumpfen Fall vernommen, verbunden mit dem Röcheln eines Sterbenden, Ambrosius hätte nicht lange nachher den Geist aufgegeben. Es war Belrem; er hatte sich von der Zinne der Burg herabgestürzt in den Schloßhof. — Ambrosius und Belrem wurden mit einander begraben. Das Gerücht gieng aber lange im Thale, Belrem sey nicht begraben worden, sondern der Teufel habe ihn um Mitternacht vom Thurme herabgeschleudert, ihn in Stücke zerrissen und die Theile in alle vier Winde gestreut. Zuleima soll in einem Tage mit Belrem’s Gemahlin, bald nach Belrem’s Tode gestorben seyn. So verwelkte diese Blume des südlichen Himmels, zu früh geknickt von der rauhen Nordluft Europens. Belrem’s Söhne blieben ehelos. Noch jetzt will der Landmann in den Ruinen des traurigen Schloßes Weißenstein um Mitternacht klagende Töne einer Menschenstimme vernehmen, und schon öfters soll eine hohe Gestalt im Dunkeln des Burghofes erblickt worden seyn.

War es der Geist Belrem’s? Wir wissen es nicht.


Sitten und Gebräuche früherer Jahrhunderte.

Wie man an den Diäten sparte in bösen Zeiten.

Weilen jederzeit bräuchlich gewesen, daß nach verrichteter Abhör der Bürgermeisterrechnung denen beigewohnten Herren eine Rathsmahlzeit gegeben worden, solches aber eine Zeit hero, größere Kosten zu ersparen, verhütet und unterlassen worden, als ist anstatt solcher Mahlzeit jedweder Person vor die gehabte Mühwaltung und Beiwohnung, Insonderheit Hoch- und Wohlgebornen Herrn Commissariis, Ihro Magnificenz Herrn Johannes von Essen und Herrn Christian Kißling, Ihro Durchlaucht zu Baden Durlach hochverordneten Geheime-Hof- und Kammerräthen, hiesigen Herren Beamten, Herren Stadtschreibern, Herren Protokollisten und den 24 Gerichts- und Rathspersonen, wie auch dem Stadtschreibereiscribenten, der die ferndige Ausfertigung gethan, also auf 30 Personen jedwedem ein silberner Löffel verehret, und Herrn Nicolaus Burkharden, dem Goldschmidt laut Scheins bezahlt 92 fl. 7½ kr.

Bürgermeisterrechnung von 1688. Fol. 79. a.

Ueberhaupt ist es der alten Zeit eigenthümlich, alle öffentlichen Verrichtungen mit Mahlzeiten zu beschließen. Diäten wurden keine bezahlt; solche Mahlzeiten mußten dafür gelten. Originell ist in dieser Beziehung, daß auf dem Rathhause zur Bequemlichkeit der Gerichts- und Rathsverwandten ein eigener Koch bestellt war. Als solcher wird in den 1620- und 30er Jahrer Hans Schlosser erwähnt. Einen Beleg für dies Zehrungssystem giebt unter andern eine Schäferrechnung vom Jahre 1629. Die ganze Einnahme der Schäferei, die damals in Stadt und Altenstadt aus 1350 Stück Schafen bestand, belief sich auf 145 fl. 14 kr. Davon blieb außer den unumgänglichen Ausgaben, worunter z. B. für Papier 2 kr., für Stellung der Rechnung 24 kr. und ein Ertrageschenk, das dem Scribenten, der die Rechnung stellte, gemacht wurde, von 13 kr., nicht mehr als 13 fl. 48 kr. reine Einnahme; das Uebrige wurde größtentheils "verzehrt." So heißt es z. B.: den Schäfern und Kuhhirten, (letzteren wegen 273 Stück Rindvieh, welche die Stadt damals besaß) gegeben 1 fl. 54 kr.

Als mit den Schäfern das Lamm nach alter Gewohnheit verzehrt worden, gieng bei Schwertwirth Christoph Leonhard drauf 7 fl. 24 kr.

Bei Einziehung des Salzgeldes wurde durch Bürgermeister, Bau- und Pferchmeister, die Schäfer und ihre Weiber verzehrt 10 fl. 53 kr.

Bei Einziehung des Pferchgeldes wurde durch die Pferchmeister und Schäfer verzehrt 4 fl., und bei Lieferung des Waidhabers 48 kr.


Alte Kirchenzucht.

In einer Sitzung des Stadt-Rathes im Jahr 1661 wurde berichtet, daß Hans Georg Rorr, ein Bäcker, am heiligen Adventssonntage zwei Schweine geschlachtet habe. Derselbe entschuldigte sich damit, daß es erst nach der Abendpredigt geschehen sey. "Dieweilen, so lautet der Beschluß, Hans Georg Rorr, daß er gestrigen Sonntag, zumalen am ersten Advent, Schwein salva venia zu metzigen sich unterstanden, und also dieses Fest unverantwortlich entheiliget, daher auch, wenn bei ihm die Mittel zu belegen wären, er mit hochempfindlicher Geldstrafe würde angesehen werden, so wird es dahin gestellt, daß er solchen großen Uebersehens halber nebst 2 Pfund Hellern in das Almosen mit dem Keffit (Käfig, d. h. bürgerlichen Gefängnisse) abgestraft, und eher nicht, als bis er sowohl diese, als andere zuvor andictirte Geldpönen (Geldstrafen) erlegt, aus demselben gelassen werden solle.


In den alten Stadtrechnungen findet sich eine eigene Rubrik: Ausgaben um Gotteswillen, d. h. freiwillige Geschenke aus der Stadtkasse. Besonders viele finden sich aus der Zeit der französischen Verheerungen, an vertriebene Geistliche, Schullehrer, invalide Offiziere und Soldaten, alte Leute ec. So kommt im Jahre 1689 vor: einem armen melancholischen Student verehret 8 kr.


Unter Verantwortlichkeit von G Lotthammer.
Drucker: K. F. Katz.

nächster Teil