Pforzheims’s Vorzeit.
Für Pforzheim und seine Umgebungen.

Du kleiner Ort, wo ich das erste Licht gesogen,
Den ersten Schmerz, die erste Lust empfand;
Sey immerhin unscheinbar, unbekannt,
Mein Herz bleibt ewig doch vor Allen dir gewogen! Wieland.

Nro. 10. Samstag den 7. März. 1835.

Klage.

Wie wir vernehmen, soll nächstens in Weißenstein die letzte noch am besten erhaltene, im Dorfe stehende Ruine abgebrochen werden, um einem andern Gebäude — ich glaube, einem Tanzsaale — Platz zu machen. Obwohl wir durch diese Zeilen das Unternehmen nicht werden verhindern können, so versichern wir doch, daß, wenn diese Ueberreste einer altergrauen Zeit fallen, das ganze Dorf Weißenstein gewiß eine seiner schönsten Zierden verlieren wird, indem gerade diese Burg die romantische Schönheit des Thales in bedeutendem Grade erhöht. — In andern Orten werden solche Denkmäler sorgfältig erhalten, nur wir lassen uns eine solche Nichtachtung des Alterthums zu Schulden kommen. Die schöne Burg Liebeneck wurde vor einigen Jahren abgetragen, und nun sollen auch die letzten Reste der Vorzeit in Weißenstein zusammenstürzen.

Wir kennen wohl manche Gründe, die man uns einwenden kann, z. B. "der Platz hat bisher kein Interesse getragen; ein neues Haus ist besser, als die alten Mauern, welche doch bald von selbst zusammenstürzen werden." Mag es aber nicht für den Wirth selbst, der den Platz an sich gekauft hat, von Nachtheil seyn, wenn er seinen Plan ausführt?

Doch dem sey nun wie ihm wolle, wir konnten diesem innigen Seufzer nicht unterdrücken in einem Blatte, dessen Pflicht es ist, sich der Ueberreste des Alterthums anzunehmen.


Ueber die ehemalige Größe und Bevölkerung Pforzheims.

(Schluß).

Es kann daher auch der Einwurf, daß doch, da die Familien früher noch enger beisammen wohnten, als jetzt, und also, auch bei gleichem Umfange der Stadt, auch zahlreicher gewesen seyn müßten, von keinem Belange seyn. Allerdings wohnten die Familien früher viel gedrängter, und die Gassen waren allenthalben eng und schmal. Dagegen war aber (mit Ausnahme der Häuser der vermöglicheren Bürger, welche meist hoch waren), die Mehrzahl der Gebäude nur einstöckig, und dabei sehr unbequem gebaut. Auch nahmen die vielen Klöster und Klostergüter, die sich früher in der Stadt befanden, ausserordentlich viel Raum hinweg. So das Stift der Weltgeistlichen, deren Kirche die Schloßkirche war, und welches fast allen Raum aufwärts von der Pfarrgasse besaß; die Franziskaner oder Barfüsser — die katholische Kirche nebst Siechenhaus und dem dazu gehörigen Garten; — die Dominikaner- oder Predigermönche — den Schulplatz, das Schulhaus nebst allen zum nemlichen Quadrate gehörigen Gebäuden ec.; außer diesen noch 5 Klöster; ferner die Güter und Höfe der Klöster Lichtenthal, Hirschau, Herren- und Frauenalb.

Bemerkenswerth ist, wenn wir der allgemeinen Klage, daß die Professionen hier so sehr übersetzt seyen, gedenken, daß früher bei geringerer Bevölkerung, dennoch die Handwerke verhältnißmäßig weit stärker besetzt waren. So befanden sich 1615 37, im Jahre 1698 unter nicht völlig 300 Bürgern 41 Metzger, und 1811 bei mehr als 800 Bürgern eben so viel;

Bäcker 1698 49; 1811 45.
Färber und Zeugmacher " 38; " 6.
Schlosser " 10; " 7.
Schuhmacher " 34; " 44.
Schmiede (mit Nagelschmieden
u. Messerschm.) " 17; " 19.
Hafner " 10; " 5.
Kiefer " 23; " 11.
Leineweber " 33; " 11.
Rothgerber " 23; " 17. Jetzt ausser den Fabriken von Bohnenberger und Becker noch 6 Werkstätten:
Seiler 1698 8; 1811 6.
Schreiner " 10; " 13.
Schneider " 16; " 30.
Weißgerber " 17; " 3. jetzt 4. von denen aber keiner sein Handwerk mehr betreibt;
Hutmacher und Dreher 1698 19; " 7, u. s. w.

Am zahlreichsten waren hier, wie noch heut zu Tage, so jederzeit die Wirthshäuser. Zwar waren 1698 nur 17 Krämer und Wirthe hier, aber die meisten Wirthe gehörten, wie noch jetzt größtentheils andern Zünften an, und sind daher auch unter diese gerechnet. So war Bäcker Johann Mich. Deschler zugleich Lammwirth; Johann Beckh, Bäcker und Rosenwirth; Otto Beckh, Bäcker und Höllwirth; Joh. Hafner, Metzger und Hirschwirth; Lorenz Katz, Rothgerber und Greifenwirth; Weißgerber Johann Gall Kittel zugleich Laubwirth; Johann Aler, Schuhmacher und Wildmannwirth ec., Außerdem durfte jeder Bürger, der eigene Rebpflanzungen besaß, den daraus gewonnenen Wein auch selbst ausschenken, und die Zahl dieser Gassen- und Heckenwirthe, wie man sie nannte, war nicht gering.

Man sieht, bei weitem die Mehrzahl der Bürger bestand aus Handwerkern, nur 55 Bürger waren 1698, — als im Wendepunkt der ältern und neuern Zeit für Pforzheim — nicht unter bestimmte Zünfte zu bringen; es waren Weingärtner, Fuhrleute ec. Durch diese unverhältnißmäßige Zahl der Handwerker mußte, wie sich leicht denken läßt, ziemliche Nahrungslosigkeit erzeugt werden*Daher auch z. B. das alte Zunftgesetz bei einigen Handwerken, wie bei den Hafnern, daß kein Meister mehr als Einen Gesellen halten solle., wenn gleich die Stärke einiger Zünfte, z. B. der Weißgerber, Zeugmacher ec, auf Rechnung der Lebensweise, der Mode ec. zu setzen ist; und wirklich sind es auch nur äusserst wenige Familien, welche reich oder wenigstens wohlhabend genannt werden konnten. In den Zeiten vor dem dreißigjährigen Kriege war dies noch eher der Fall, und es lebten damals einige wirklich reiche Familien hier, z. B. die Familie Gößlin, aber dieser Krieg, der die Wohlhabenheit der Stadt von Grund aus erschütterte, ließ sie auch in den nachfolgenden Zeiten nicht mehr auskommen, denn die Hauptquelle jener Wohlhabenheit, der nicht unbedeutende Handel hiesiger Bürger, theils mit eigenen Producten des Gewerbfleißes, theils und noch mehr der Speditionshandel, war, wenn auch nicht völlig vernichtet, doch viel zu sehr geschwächt, um von bedeutendem Erfolge seyn zu können. In den französischen Kriegen ging alles vollends zu Grunde, was sich mühselig wieder seit dem dreißigjährigen Kriege erholt hatte.

Zum Schlusse noch eine kleine Uebersicht der Bevölkerung:

von 1600 — 1634 lebten hier 3900 Seelen.
" 1635 — 1650 " " 2400 "
" 1650 — 1688 " " 3000 "
" 1688 — 1689 " " 2000 "
" 1689 — 1690 " " 1000 "
" 1690 — 1694 " " 1500 "
" 1694 — 1698 im schnellem Steigen begriffen.
" 1698 — 1700 lebten hier 2000 Seelen.
" 1700 — 1725 " " 3000 "
" 1725 — 1760 " " 3600 "
" 1760 — 1800 " " 5000 "
" 1800 — 1811 " " 5570 "
" 1811 — 1834 " " 6200 "

Nachrichten von einzelnen Familien.

2. Katz.

Der gemeinschaftliche Stammvater dieser sehr zahlreichen Familie ist Conrad Katz, ein Rothgerber. Er kommt wie überhaupt der Name "Katz," zum erstenmale im Jahre 1625 vor. Conrad Katz starb um das Jahr 1640. Von seinen beiden Söhnen Hans Conrad (geboren 1628), Rothgerber und Rathsverwandter und Lorenz (geboren 1636), Flößer, hinterließ jener drei Söhne, Conrad, Lorenz und Joseph. Der älteste unter ihnen, Conrad, Rothgerber und Rathsverwandter hat sich besonders durch seine Thätigkeit um das städtische Wesen verdient gemacht; so hat vorzüglich ihm die 1692 durch die Franzosen niedergebrannte Heiligkreuzkirche ihre Wiedererbauung im Jahre 1698 zu verdanken. — Bei weitem zahlreicher aber ist die Linie, welche Flößer Lorenz Katz stiftete. Er selbst starb zwar während des französischen Krieges, hinterließ aber vier Söhne, Johann Georg, Lorenz, Sebastian, und Conrad, alle Flößer, welche meist zahlreiche Nachkommenschaft hinterließen, wodurch die Familie ihre große Ausdehnung erlangt hat.


Frühere Holzpreise.

Unter allen Differenzen, die sich bei den Preisen der nothwendigsten Lebens- und Hausbedürfnisse im Laufe der Zeit ergeben haben, sind wenige so auffallend, als die des Holzpreises. Jetzt kostet das Klafter tannenes Holz 8 Gulden, das Klafter des büchenen 14 Gulden; viele noch lebende aber erinnern sich noch gar wohl, daß das Klafter tannenes Holz nicht einmal 3 Gulden kostete, und in mancher Pfarrcompetenz ist noch heutzutage das Klafter tannenes Holz zu 2 Gulden, 2 Gulden 30 Kreuzer aufgeführt. Noch weit auffallender ist der Unterschied des jetzigen Holzpreises gegen den des 17. Jahrhunderts. Noch am Schlusse desselben kostete in den städtischen Waldungen das Klafter Brennholz nicht mehr als 30 Kreuzer, also höchstens den 16ten Theil dessen, was es jetzt kostet, und ein Klafter Gipfel- oder Abholz kam nicht höher, als 4 bis 8 Kreuzer zu stehen! ________________________________________

Der Bundschuh,

oder der Bauernaufstand im Jahr 1502.
Historische Erzählung.

(Fortsetzung).

4.

In der That würde auch eine muthigere Seele als die eines Weibes bei dem unvermutheten Anblicke der unheimlichen Versammlung erschrocken seyn. Das schwach beleuchtete Zimmer, die Mitternacht und das Brausen des Windes vermehrten noch den Eindruck der nächtlichen Scene. Die Versammelten waren die Häuptlinge des Bundschuhs, unter denen Conrad Vesperleuter und Fritz von Grumbach die erste Stelle einnahmen. Diese beiden saßen an dem Tische, und Conrad war mit Schreiben eines Pergaments begriffen. Die übrigen standen in Unordnung umher, und ihre wilden Blicke, ihre abgemagerten, zerlumpten Gestalten, ihr verwirrtes, langes Haar und die krausen Bärte standen im gutem Einklang mit den langen Messern und den keulenähnlichen Stöcken, welche sie führten. Ein dumpfes Gemurmel erfüllte des Gemach, in dessen Mitte Eberhard stand, der die obenbeschriebene weiße und blaue Bundesfahne in der Hand hielt, zu der nun in dieser nächtlichen Versammlung geschworen werden sollte. Der wilde Pfeifer lehnte tiefsinnig in einer Ecke, und mit seinem Messer spielend, warf er Blicke umher, die nichts Gutes anzuzeigen schienen. Endlich erhob sich Fritz von Grumbach von seinem Sitze und sprach zu den Verschworenen: "die Gesetze und Bedingungen unseres Bundes sind nun aufgesetzt und in Artikel gebracht, sie werden Euch noch einmal vorgelesen, auf daß sie jeder genau kennen mag." Vesperleuter öffnete die Pergamentrolle und las:*Dies ist wörtlich aus den Akten genommen.
Siehe Mone’s badisches Archiv. p. 165 und ff. Königs Bauernaufruhr (Anfang).
"Den Bundschuh haben wir zusammen gethan, daß wir frei seyn mögen, d’rum wollen wir, wann wir an der Zahl mächtig werden, alle Joch der Leibeigenschaft zerbrechen, mit Waffen uns freien, inmaaßen wir Schweizer seyn wollen. Wer in den Bund geschworen, betet täglich 5 Vaterunser und eben so viel Ave zur Gedächniß der vornehmsten Wunden unseres Herren, andächtig und knieend, auf daß Gott der Allmächtige, unserem Fürnehmen Viktoria und Sieg verleihe. Unsere Schutzheiligen sollen seyn die Himmelskönigin und der heilige Zwölfbote Johannes. Die Obrigkeit wollen wir abthun und austilgen und wider diese ziehen mit Heereskraft und gewaffneter Hand und unserem Banner; und alle, und alle, so uns nicht huldigen und schwören, soll man todt schlagen. Niemalen mehr wollen wir Obrigkeit über uns dulden und Niemand Zins, Zehnt, Steuer, Zoll, noch anderes zahlen, sondern uns aller dieser Beschwernisse auf ewig entledigen. Zuerst soll man auf den Bischoff v. Speier ziehen gen Bruchsal, weil die Hälfte dieser Stadt unsere Eidgenossen sind, und ist Bruchsal (welches leicht geschehen wird) in unserer Hand, dann trifft die Reihe den Markgraven von Baden, in dessen Land nichts geschont wird. Sind die Fürsten und Edelleute gebrochen und ab, geht der Zug auf die Domherrn, die Stiften und Abteien, die wollen wir gewalten und austreiben oder todt schlagen, sammt allen Pfaffen und Mönchen; ihre Güter wollen wir theilen und die Dienstleute der Kirche unschädlich machen, auch wollen wir die Leutpriester (so viel als Ortsgeistliche, im Gegensatz gegen die Mönche) ringern, so viel man vermag. In eroberten Plätzen, so wie auf der Wahlstatt nach der Schlacht, wenn Gott uns den Sieg giebt, bleibt der Heerhaufe nicht über 24 Stunden liegen, er soll weiter rücken bis Alles gehorche. Die Stiften, Abteien, Klöster und andere Gotteshäuser müssen fallen und ausbrennen; Zehnten, Gülten oder sonst Steuer, so den Pfaffen und Mönchen bisher zugestanden, sind ab und todt für immer. Wasser, Wald, Waid und Haid, Wildbann, Vogelfang, Fischerei und Birschen, das seither von Fürsten und Herren und Pfaffen gebannt gewesen, sollen frei und offen und Jedermanns seyn, so daß jeder Bauer holzen, jagen und fischen mag, wo und wann er will, ohne Bann und Hinderniß allezeit und überall. Zuletzt wollen wir auf die Stadt Speier ziehen, sie mit Heeresmacht gewalten, die Domherren und alle Pfaffen und Rathsherren und die reichsten von den Bürger davon jagen, ihre Habe, fahrende und liegende, wollen wir theilen, und fortan soll im Münster, wie in den andern Gotteshäusern aller Chorgesang schweigen, und nur ein Leutpriester mag dort die Messe singen und sagen.

Wer nicht in unsern Bund schwört, und sich ihm widersetzt, mit dem soll man machen als mit einem bösen Mann und Durchächter der Gerechtigkeit, er muß sterben ohne Gnade und Barmherzigkeit. In Summa, wo wir getrauen, etwas zu finden, das wollen wir sackmann machen (in den Sack stecken)."

Nachdem Vesperleuter geendigt, bezeugten die wilden, verworrenen Töne, welche von den versammelten Verschworenen ausgestoßen wurden, den innigen Beifall derselben, obwohl Vesperleuter und Eberhard nicht mit allen Bestimmungen zufrieden waren. Jeder nahte sich dem Tische, und zeichnete, nachdem er leise ein kurzes Gebet gesprochen und sich bekreuzt hatte, drei Kreuze auf das Pergament als Unterschrift und Schwur, zu denen Vesperleuter jedesmal den Namen des Mannes bemerkte. Nachdem dieses beendigt war, hoben sie alle die Finger in die Höhe und schwuren bei der heiligen Jungfrau, der Fahne treu zu bleiben bis zum Tode. Der 20. April war zur nächsten Zusammenkunft festgesetzt worden.

Die Gesellschaft rüstete sich nun zum Aufbruch. Ehe sie aber das Haus verließen, knieeten sie sämmtlich nieder und beteten. Nach einigen Minuten war das Gemach leer.

Die Verschworenen schlugen entgegengesetzte Wege ein, um nicht in großer Anzahl bemerkt zu werden. Creszentia war aber, während sie gebetet hatten, stille von ihrem Schlupfwinkel herabgestiegen und unter bangen Gedanken und mannigfaltigen, heftigen Gefühlen nach Hause geeilt.

(Fortsetzung folgt).


Unter Verantwortlichkeit von G Lotthammer.
Drucker: K. F. Katz.

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