Pforzheims’s Vorzeit.
Für Pforzheim und seine Umgebungen.

Du kleiner Ort, wo ich das erste Licht gesogen,
Den ersten Schmerz, die erste Lust empfand;
Sey immerhin unscheinbar, unbekannt,
Mein Herz bleibt ewig doch vor Allen dir gewogen! Wieland.

Nro. 21. Samstag den 23. Mai 1835.

Weißenstein.

(Fortsetzung.)

Vermöge dieser Urkunde schenkten die beiden Brüder dem Markgrafen Rudolph (I.) von Baden ihr eigenthümliches (Allodial-) Gut: Schloß Liebeneck mit dem Dorfe Würm (Wirme) und entsagten allen Rechten und Ansprüchen darauf. Zugleich behielten sie sich aber ihre Lehensherrschaft über das genannte Huochenvelt (Huchenfeld) vor, welches Dorf also, wie Würm, zur Burg Liebeneck gehört zu haben scheint; geben jedoch den obengenannten sieben Lehensleuten die Verwilligung, Huchenfeld an den Markgrafen zu überlassen, ohne daß ihre Lehenspflichtigkeit gegen die Herren von Weißenstein dabei ein Hinderniß seyn sollte. Was die beiden Brüder zu solch bedeutender Schenkung bewogen haben mag, ist nicht bekannt; in der Urkunde selbst geben sie als Beweggrund dazu die vielen Wohlthaten (d. h. Lehen) an, welche sie von Markgraf Rudolph und seinen Vorfahren erhalten hätten.

Wir können aus dieser Urkunde mancherlei lernen und vermuthen. Die Urkunde fängt so an: Nos Bertholdus advocatus et Belreimus, fratres de Wizenstein: Wir Berthold, Schirmherr, und Belreim, Brüder, von Witzenstein. Ebenso heißt jener Berthold, der Zeuge bei der Hochzeit in Tübingen war. Daraus ergiebt sich deutlich, daß diese Edlen von Weißenstein es nicht als Eigenthum, sondern nur als Lehen besassen. Aber wer war der Lehensherr? Offenbar niemand anders, als der Markgraf von Baden; die Brüder sagen ja in der Urkunde ausdrücklich, daß sie von Markgraf Rudolf und seinen Vorfahren viele Lehen empfangen hätten. Wie freilich Weißenstein in die Hände der Markgrafen von Baden gekommen, ist nirgends aufzufinden, wenn es nicht, wie sehr zu vermuthen ist, bei der Theilung der Grafschaft Calw an Baden fiel. Es ergiebt sich daraus aber auch die Wahrscheinlichkeit, daß Pforzheim schon vor 1241 badisch war; denn nach der ebengenannten Stelle der Urkunde besaßen diese Edlen schon vor Markgraf Rudolf als badisches Lehen; da nun Markgraf Rudolf Weißenstein schon 1241, nach dem Tode Markgraf Herrmanns, zur Regierung kam, und es doch wohl anzunehmen ist, daß Weißenstein mit Pforzheim zugleich an Baden kam, so muß auch Pforzheim schon vor 1241 badisch geworden seyn.

Wenn aber diese Familie Weißenstein nur als Lehen besaß, so ist die natürliche Frage: woher stammt sie? welches sind ihre eigenen Stammgüter? Wir wissen das freilich nicht genau; können uns also auch nur durch Vermuthungen helfen. Bedenken wir jedoch, daß Liebeneck und Würm eigenthümliche Güter waren (plenum dominium, libera et absoluta possessio), daß wir sonst keine Spur von anderwärtigen Gütern dieser Art finden, so mögen wir wohl vermuthen, daß diese Herren von Weißenstein eigentlich Herren von Liebeneck waren, diesen Namen jedoch aufgaben, und nur den ihres Lehengutes trugen. Das findet sich oft.

Beide Brüder scheinen unverheirathet oder wenigstens kinderlos gewesen zu seyn, denn wenn sie Kinder hätten, ließen sich solche bedeutende Verschenkungen nicht begreifen. Ihr Name geht auch jetzt schnell seinem Ende entgegen.

Konrad von Jagersheim hatte von Berthold von Wizzenstein eine Mühle zu Horrheim bei Vaihingen zu Lehen. Er gab aber das Lehen dem Lehensherrn im Jahr 1288 mit Einwilligung seiner Söhne Konrad und Götze zurück, und versprach in der Urkunde zugleich, daß auch seine Töchter Landilia und Englin ihre Bestimmung dazu geben würden.

Zum Letztenmal erscheint der Name eines Herrn von Weißenstein im Jahr 1295. In diesem Jahre übergab Berthold von Wizzenstein, der jetzt wohl sehr alt und ohne nahe Erben war, alle seine Lehengüter seinem Vetter Rudolf von Roßwag. Roßwag aber war eine Burg im Dorfe gleiches Namens (bei Vaihingen), von welcher sich eine Familie benannte, welche ungefähr zwei Jahrhunderte lang blühte. Maulbronn hatte ihr sehr viel zu verdanken. Mehrere unter ihnen waren badische Lehensmänner. Auch bei der Schenkung Liebenecks und Würms an den Markgrafen von Baden kommt ein Konrad v. Rossewac vor. Ein Bruderssohn desselben war dieser Rudolf von Roßwag, welchem Berthold von Weißenstein seine Lehen übergab. — Ob aber bei diesen Lehen auch Weißenstein war, ist nicht gesagt; es ist jedoch wahrscheinlich, da Rudolf selbst badischer Lehensmann war; (denn er besaß die Höfe Muschelnbach (Mutschelbach) und Vitzenbach, welche er in eben diesem Jahre 1295 an das Kloster Herrenalb verkaufte) und Weißenstein das vorzüglichste unter den Lehen Bertholds von Weißenstein war. Rudolf von Roßwag lebte noch im Jahre 1312.

Da sich hier, nach dem Aussterben der Herren von Weißenstein ein Abschnitt von selbst ergiebt, so wird es am rechten Orte seyn, die genannte Urkunde von 1263 einzuschalten. Sie ist, wie alle Urkunden jener Zeit (mit wenigen Ausnahmen) in lateinischer Sprache verfaßt, wir geben sie hier in einer wörtlichen teutschen Uebersetzung:

Im Namen des Herrn. Wir Bertold, Schirmherr, und Belreim, Gebrüder von Wizenstein, thun jedermann, welchem diese Urkunde zu Gesichte kommt, durch gegenwärtige Ausfertigung kund, daß wir nach sorgfältiger Ueberlegung darüber, daß wir unserm erlauchten Herrn Rudolf, Markgrafen von Baden durch Lehenspflicht zu schuldiger Treue verbunden sind, anerkennend, daß uns von ihm und seinen Vorfahren vielfache Wohlthaten (Lehen) zugekommen, und daß wir dadurch zu Gegengaben verpflichtet sind — daß wir alles Recht, welches wir auf der Burg Liebenegge, unter jedwedem Titel, haben, freiwillig übertragen und übergeben in die Hände unseres vorgenannten Herren, mit der ausdrücklichen Willenserklärung, daß das vollkommene Herrschaftsrecht, der freie unbeschränkte Besitz sowohl auf genannter Burg als in dem Dorf Wirme und allen andern dazu gehörigen Besitzungen in Höfen und Feldern, bebauten und unbebauten, in Lehensleuten und Leibeigenen, Wiesen und Waiden, befahrenen und unwegsamen Gegenden, Wäldern und Gebüschen, Mühlen und Mühlwerken, Wassern und Wasserabfällen, Fischereien und Jagden, und allen damit verbundenen Rechten, welche auf irgend eine Weise zur Burg selbst gehören, dem genannten unserm Herrn mit vollem Rechte zugehören soll, und entsagen allem Rechte, allen Nutznießungen und Vorrechten, allem Besitze und Eigenthumsrechte, welche wir in vorgenannten Gütern hatten, und welche uns, wie gemeldet, unter irgend einer Benennung zuständig waren. Mit Ausnahme des Dorfes Huochenvelt (Huchenfeld) welches wir mit Vorbehalt unserer Lehensherrschaft als Lehen überlassen haben an nachfolgende Personen: Cunrad, genannt Colbe, Sohn Albert Kolbo’s, dem auf Burg Vurstenecke (Fürsteneck) wohnenden Ritter, Bertold, genannt Wiedener von Ingersheim, Liotwin von Glatebach, Sibotto von Hule, Albert von Helfenberg, Conrad und Sibotto, Gebrüder von Schonowe (Schönau), mit dem Verlangen, daß sie die aus diesem Lehen hervorgehende Vasallenpflicht anerkennen sollen. Wir erlauben aber, und geben gerne zu, daß die vorgenannten Personen freie Macht haben sollen, das genannte von uns zu Lehen gegebene Dorf in die Hände und Gewalt unseres oft genannten Herrn, des Markgrafen zu überlassen, ohne daß die uns schuldige Lehenspflicht dabei im Hinderniß seyn soll.

Damit aber alles vorstehende, im Einzelnen und Allgemeinen, recht und gerecht bleiben möge, haben wir gegenwärtige Urkunde mit unserm Siegel und den Siegeln der edeln Männer, Conrads von Rossewac, Reinhard Kimons von Baden und Bertolds von Remchingen beglaubigt. Ich Belreim begnüge mich, da ich kein eigenes Siegel führe, mit dem angehängten Siegel meines Bruders Bertold, des Schirmherrn. — Dieses geschah zu Etheningen (Ettlingen), am neunundzwanzigsten August im Jahr des Herrn eintausend zweihundert und drei- und sechzig in Gegenwart der Männer, deren Siegel gegenwärtiger Urkunde angehängt sind. Ferner waren noch (als Zeugen) gegenwärtig: Conrad von Rothe, Hugo von Werbenwac, Sifrid von Ottenkeim (Oetigheim) und Borchhard (Burkard), genannt Burner, alle Ritter; Heinrich von Barchusen (Berghausen) und Walther von Eberstein, Notarien des genannten Herrn Markgrafen: Conrad, Schirmvogt von Remchingen und Blicger von Steinach, und andere glaubwürdige Männer.

(L. S.)

Bertold von Remchingen.

(Fortsetzung folgt.)


Die Kaiserlichen in Pforzheim.

Erzählung aus dem Jahre 1643.
7.

Fortsetzung.

Im Schlosse gieng es stürmisch her. Im Hofe tummelten sich die jüngeren der Soldaten, die sich hier versammelt hatten. Die älteren saßen bei den Humpen im Hofe herum mit finsterm Blicke, wie immer. Häufig sah man Mönche mit ihnen herumgehen, bald vertaulich, bald drohend die Soldaten anredend. Dazu das beständige Hin- und Herlaufen der Stallknechte, Troßbuben, Marquetender ec. das alles erregte ein Getümmel, das wohl heiter geschienen haben würde, hätte nicht der bösesverkündende finstere Ernst der ältern zu sehr an die peinliche Lage der Stadt erinnert.

Ganz anders aber war es im obern Stocke des Schlosses. Dort im prachtvoll, wie sonst für die Gegenwart des Fürsten eingerichteten Saale befand sich der Mann, in dessen Händen Pforzheims Schicksal lag. Eine hohe Stirn, eine gebogene Nase, ein festgeschlossener Mund, dessen Oberlippe ein wenig vorstand, eine hohe, gebietende Gestalt charakterisirten den Oberst, oder wie man ihn gewöhnlich nur nannte, Hauptmann Erlisheim. Man hätte ihn schön nennen können, wenn nicht sein unheimlicher Blick, in dem sich trübe Schwärmerei aussprach, jeden zurückgeschreckt hätte.

Neben ihm stand links Hauptmann Horn, ein Mann in den Jahren der Kraft und Fülle, während Erlisheim schon diese Zeit überschritten hatte. Es war kein lebensfeindlicher Blick, wie bei Erlisheim, der in seinen Augen sichtbar war, er war eher noch gegen Erlisheim heiter zu nennen, und dennoch weilte des Auge noch lieber auf letzterem, denn Horns gemeine Rohheit sprach noch widerlicher aus allen Geberden, Blicken und Worten, als Erlisheims düsterer Fanatismus.

Noch dürfen wir aber eine dritte Person nicht unerwähnt lassen. In einer Ecke stand ein Mann, den wir etwas genauer betrachten müssen.

Es war eine kräftige Gestalt von hohem Wuchse und die breiten Schultern, die schmalen Hüften und kräftigen Arme hätten dem Manne sonst ein wohlbegründetes Recht auf Schönheit verliehen, wenn diesen schönen Leib auch ein entsprechender Kopf geziert hätte. Aber auf dem wohlgeformten Halse saß ein Kopf — plattgedrückt, viel zu klein für diesen Körper. Die Stirne nahm beinahe die Hälfte des Gesichtes ein, in welchem Mund und Nase einem Knaben von 14 Jahren anzugehören schienen. Mußte dies schon einen unangenehmen Eindruck machen, so war dies noch mehr der Fall, wenn man ihm in die kleinen, tiefliegenden Augen schaute, die nur darauf auszugehen schienen, in das Herz des vor ihm stehenden einzudringen und einen verwundbaren Fleck zu finden, und ein meist nur wider Willen des Mannes sichtbar werdendes, kaum merkbares Lächeln zeigte, daß dies ihm nicht selten gelinge. Die Kleidung, die diesen Mann deckte, war eine Mönchskutte. Er war der Pater der Barfüßermönche in Pforzheim.

Mit übereinandergeschlagenen Armen gieng Erlisheim im Zimmer auf und ab. Endlich stand er vor dem Pater still.

Wie lange ist es, Pater, daß mich immer die bösen Träume verfolgen? antworte mir.

"Seit dem Er. Gestrengen sich entschlossen haben, die Befehle der allein seligmachenden Kirche zu vollführen," erwiederte kalt der Pater.

Wie soll ich das verstehen? fragte mit finsterem Blicke der Oberst.

"Euer Gestrengen erwiederte der Mönch, und ein leiser Zug des Spottes spielte um seine Lippen, können doch nicht vergessen haben, was ich Euch so oft erklärte, daß eine vorübergehende Bewegung unseres schwachen und willenlosen Herzens nie der Maaßstab unserer Handlungen seyn kann."

Mag seyn, Pater, sagte Erlisheim. Aber zu was nützt diese Behandlung der Ketzer, wenn dadurch die Verbreitung unseres heiligen Glaubens nicht gefördert wird?

"Sie wird gefördert, erwiederte der Pater, und wenn auch der Erfolg nicht immer Eure Bemühungen krönt, wer kann Euer Gestrengen die Schuld beimessen?"

Und doch muß die Härte, wenn sie nutzlos war, ein Vorwurf seyn!

"Ich muß mich wundern, wie Euer Gestrengen so wenig die Wahrheit erkennen. Es ist Pflicht eines jeden rechtgläubigen Christen, auf jede Weise den Ketzer vor dem ewigen Verderben zu bewahren, wie es Pflicht eines jeden ist, einen andern, der sich in unsinniger Verblendung in einen Abgrund stürzen will, zurückzureißen, auch auf die Gefahr, ihm Gewalt anzuthun. Wenn aber der Gerettete dennoch nachher seinen Vorsatz ausführt, hättet Ihr darum weniger edel gehandelt?"

Das heißt: der arme Teufel mag seine blaue Mahle als Reisegeschenk in die andere Welt mitnehmen, lachte Holz.

Ein drohender Blick Erlisheims legte ihm Stillschweigen auf. Ihr habt recht, Pater. Ich verstehe Euch und meine Pflicht. Habt daher Nachsicht mit meiner Schwäche. Der furchtbare Mord jenes alten Priesters war fast zu viel für ein Probestück.

"Möge der Heilige Euch in diesen Vorsätzen erhalten und bewahren," sprach mit andächtiger Miene, die Hände über der Brust gekreuzt, der Pater, aber er konnte das Lächeln seines innern Triumphes kaum unter der Maske der Heuchelei verbergen.

Eine Wache meldete, daß ein alter Mann mit Sr. Gestrengen zu sprechen wünsche.

Er mag kommen, sprach Erlisheim.

Ein Mann, hoch in Jahren, aber noch ungebeugt von denselben, trat herein. Seine Kleidung ließ in ihm einen Bürger von Pforzheim erkennen. Es war der alte Tischinger. Ein Schimmer düsterer Wehmuth umflorte sein Gesicht.

Was begehrt Ihr? Herrschte Erlisheim ihn an.

"Eine Gnade gestrenger Herr Oberst, die Euch wenig kostet, und mehr als einen Glücklichen machen kann — ein Menschenleben."

Wessen Leben? Ich weiß keinen, der dem Tode geweiht ist, als jenen frechen Lästerer, dem zehnfacher Tod geschworen ist.

"Er ist es — mein Sohn!" antwortete Tischinger, unfähig weiter zu sprechen, als er die furchtbaren Worte gehört hatte.

Und du wagst es, frecher Graukopf, für sein Leben zu bitten, schrie Erlisheim auffahrend, und in rasender Wuth das Schwert ziehend.

"Stoßt zu, Herr, antwortete mit der Ruhe der Greis, welche durch völlige Hoffnungslosigkeit erzeugt wird, stoßt zu. Wenn mein einziger Sohn um dessenwillen allein das Leben noch einigen Werth für mich hat, nicht mehr zu retten ist, so ist mir der Augenblick willkommen, der mich wieder mit ihm vereinigt."

So fahre zur Hölle! murmelte Erlisheim.

Erlauben Euer Gestrengen, daß ich den Frevler, der unsere heilige Kirche, der Euch lästerte, zum Tode vorbereite? sagte der Pater.

Tischinger wandte seinen Blick nach dem Sprechenden. Beide schienen sich gegenseitig zu erkennen.

(Fortsetzung folgt.)


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