Pforzheims’s Vorzeit.
Für Pforzheim und seine Umgebungen.

Du kleiner Ort, wo ich das erste Licht gesogen,
Den ersten Schmerz, die erste Lust empfand;
Sey immerhin unscheinbar, unbekannt,
Mein Herz bleibt ewig doch vor Allen dir gewogen! Wieland.

Nro. 7. Samstag den 14. Februar. 1835.

Die alte Goldschmiedezunft.

Es ist nicht allein der Zweck unseres Blattes, einzelne Begebenheiten aus der Geschichte Pforzheims genauer und richtiger, als bisher geschah, darzustellen, denn dies würde bei einer Stadt, wie die unsrige, so reich sie auch an merkwürdigen, oder wenigstens interessanten Begebenheiten ist, immmer bedeutende Lücken lassen, da jene Begebenheiten, der Beschaffenheit des Stoffes nach, unmöglich so reichhaltig seyn können, daß sich aus ihnen eine fortlaufende Geschichtserzählung ziehen ließe; sondern es ist auch unsere Absicht, den jedesmaligen Zustand eines Zeitabschnittes, so weit er unsere Stadt betrifft, klar zu machen. Wir haben dies durch die Wahl unsers Titels "Pforzheim’s Vorzeit" anzudeuten gesucht. Zwar sind allerdings Erzählungen von Begebenheiten mehr zur Unterhaltung geeignet, als Darstellungen von Zeitverhältnissen und Zeitansichten; aber sie dienen in der Regel nur dazu, unser Urtheil zu verwirren, da wir gewöhnt sind, alles nach unsern Ansichten und Verhältnissen zu beurtheilen. Wir lernen die Zeit nicht aus einzelnen Ereignissen kennen, umgekehrt ist es immer der Geist, die vorherrschende Tendenz eines Zeitalters der Maaßstab, nachdem sich unser Urtheil über Ereignisse richten muß.

Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, theilen wir unsern Lesern von Zeit zu Zeit Actenstücke über den früheren Stand der bürgerlichen Verhältnisse, der Gewerbe, so wie die Lebensweise unserer Vorältern mit. Für dies mal heben wir einige Notizen über die alte Goldschmiedezunft aus. Freilich ist sie in keinen Vergleich zu setzen mit dem jetzigen Flor der Bijouterie. Unter dem früher, auch bei diesem Erwerbszweige herrschenden Zunftzwange war ein solches Aufblühen schon an sich undenkbar. Es darf daher auch die, früher ganz allgemeine, jetzt einigermaßen in Verachtung gerathene Benennung "Goldschmiede" nicht wundern. Einige Angaben über die Art und Weise, wie früher dieses Geschäft betrieben wurde, erklären uns, wie passend der Name war.

Markgraf Christoph, der im Jahre 1527 starb, war die ganze Zeit seiner wohlthätigen Regierung hindurch eifrig besorgt, dem ganzen bürgerlichen Leben seiner Unterthanen, sowohl in staatsrechtlichen Verhältnissen, als auch im Gewerbs- und Polizei-Fache, eine neue Gestaltung zu geben, oder vielmehr das Alte, wie es bis auf seine Zeit dem Brauche gemäß gehalten worden war, in eine feste, zum Theil freilich kleinliche Form zu bringen, die sich wirklich einige Jahrhunderte hindurch größtentheils erhielt.

Unter diesen Verordnungen findet sich auch eine, betitelt: "Ordnung der Goldschmiede." Wir haben schon erwähnt, daß auch dieses Gewerbe zunftmäßig war. Die Goldschmiede bildeten mit den Glasern eine Zunft. Im Jahre 1698, als nach dem langen schweren Kriege alle Zünfte mit ihren Meistern neu eingetragen wurden, fanden sich 27 Meister dieser Zunft, wovon ungefähr die Hälfte aus Goldschmieden bestand. Wir können daher für die Zeiten vor jenem Kriege 15 bis 20 Goldschmiede annehmen.

Damit nicht von den vorgeschriebenen Gesetzen abgegangen werde, waren wie bei allen Zünften, so auch hier, Schauer bestellt, welche über die ordnungsmäßige Beschaffenheit der Waaren zu wachen hatten. Größere Artikel mußten sie einzeln, kleinere (unter einer halben Mark Silber an Gewicht) Parthienweise besehen, worauf sie dieselben zeichneten, wenn sie dieselben gerecht, d. h. richtig erfanden.

Die Behandlungsart in der Arbeit war freilich von der jetzigen sehr verschieden. Der Unterschied zwischen Gold- und Silberarbeitern war unbekannt; überhaupt waren Arbeiten in Silber häufiger, als in Gold, da die letztern der plumpen Arbeit halber, gar zu hoch zu stehen kamen. Die Arbeiten in Silber wurden gewöhnlich vergoldet oder goldplattirt. Gegossene silberne Waaren mußten 14 Loth, die gehämmerten oder geschmiedeten 14½ Loth halten. Legirt durfte das Silber vorgeschriebener Maaßen nur mit Kupfer oder Messing werden. Bei Vergoldungen galt als Probe die Kratzbürste; Arbeiten, welche diese nicht aushalten konnten, waren verboten. Was bereits vergoldet war, durfte nicht wieder vergoldet werden, außer Monstranzen und ähnliche Gegenstände. Sogenannte falsche Edelsteine oder Glasflüsse in Gold zu fassen, war für ein Falsch, einen Betrug erklärt. Solches durfte nur für einen Fürsten geschehen. Das Gold wurde für den gewöhnlichen Verkehr nicht nach den Karaten des Gehaltes beurtheilt, sondern im Allgemeinen nur rheinisch, ungarisch, und Dukatengold unterschieden. — Manches andere der Art giebt die nun wörtlich folgende Ordnung:

Verzeichnus eyner Ordnung das goltsmidt Handwerk antreffend, So in der Markgraueschaft Baden für genomen, vnnd gehalten werden soll.

Zum ersten, sol alles Versamelten, vnnd abgegossen Goldschmidtwerks, Als von Gurteln vnnd annderer arbeit, die Mark an silber hatten viertzehen Lot.


Item des gehemerten Werks, Als schalen, töpff, Becher, vnnd derglichen arbeit, da sol die Mark zum myndsten halten, funfftzehendhalb Lot, vnnd nit darunder.


Item Von demselben sol dem goltschmidt ein halb Lot hinzubezalt werden an der mark, für abgang, Als vil Es besser ist dann das annder werck silber, Doch mag der goldschmidt, das nachlassen, oder Es vf den Lon vergleichen, so Ime von der arbeit wirdet.


Item Beslegde (Beschläge) Es sy wyß oder vergült, das sol Alles zu fünfftzehenhalben lot halten, wie das gehemmert werck.


Item daruff mag man das golt wol vffstrichen (vergolden).


Item were aber das yemand beslegde haben wolt, das vffgestossen (plattirt) were, so mag der golltschmidt das auch machen, Doch das Er kein vfgestrichen beslegde für vffgestoffenes geb.


Item was von großen Stücken gearbeit oder gemacht wirdet, Alls gurtel vnnd anderes die da halten ein halb mark oder mee, dieselben grossen stücke oder arbeit, sol ein yeglicher goltschmidt den Schauwern zeugen, so Es gemacht ist, Und ist es gerecht, So sollen sie es zeichenen.


Item was von kleinen dingen ist von golten Ringen oder ander Kleinen Arbeit, das mögen die Schauwer zu yedemmale mit dem grossen besehen.


Item wann erfunden wirdt, das das silber nit helt als obsteet (wie oben steht), nemlich das versamelt zu vierzehen loten, vnnd das gehemert vnnd beslegde zu funfftzehendhalb Loten, So sol dasselb silber oder die arbeit von stundt von den Schauwern zu hauff geslagen werden vnnd soll der goltschmidt darzu zu pene (Geldstrafe) verfallen sin, von der mark ein ort (eins Gulden), von der halben mark ein halb ort, so vil des silbers ist, oder minder, ob des silbers mynder ist ec., nach anzale.


Item ein yeglich silber sol geleyert (legirt) sin mit Kupffer vnnd mit mesing, vnnd wo das verbrochen (übertreten), Oder annders gehalten wirdet, So sol der goltsmidt dasselb silber alles verloren han, vnabläßlich, Es sy wenig oder vil, vnnd mag Ine dazu myn gnediger her auch straffen.


Item ein yeglich vergült silber das nach dem, so Ime sin Farw gegeben ist, die Kratzbürst nit Erleyden mag, ist verboten by einer pene von yedem Lot silbers ein schilling pfennyng, vnableßlich zu geben, vßgescheiden (d. h. ausgenommen) das vffgestrichen golt, vff dem Beslegde wie norsteet (vorsteht), das hat syn meynung.


Item wie ein yeglicher Goltschmidt ein golt weret (währet, tariret) dafür er es git (gibt), also sol Es sin wo das feelet, So soll Es der goltschmidt bessern (nachhelfen) Nemlich soll kein ungerisch oder ducaten fur fyn gegeben werden, Rinisch für ducaten, vnnd bösers für bessers (nemlich Gold.)


Item ob es aber zum halben oder dritten teil felet, oder So merklich das man schinbarliche gefertickeit merckte, So sol der goltschmidt als (so) vil goldes, als Er also gegeben hette, auch so vil zu pene versallen sind.


Item es sol auch keiner der golde verarbeit, dasselb goldt von Ruwem vergolden by der pene verlierung des goldes.


Item es sol keiner keinen messing vergolden, Als zu Kleinottern (Kleinodien) oder sollichen dingen, Dann Es ist ein falsch, Doch monstrantzen, vnnd deßgleichen Danon kein Falsch geschicht (womit kein Betrug geschehen kann), die mag man auch vergolden.


Item es sol Keiner kein müntz, die dem goldt, oder guldin glichen mag, vergülden, Er slahe (schlage) dann ein sichtbar Loch dardurch.


Item Es sollen wedder goltschmidt, oder anndere keinen kelch, Crutz oder anndere kirchengezierde von Argwonigen (verdächtigen) Luiten kauffen by Iren eiden.


Item Wem also Ettwas Argwonigs furkäme, der sol schaffen, ob er mag, Das Es gerechtuertigt werde, Ob er Es annders nit selber gerechtuertigen kondt.


Item man sol kein glass das Edelngestein glichen mag, In golt versetzen (fassen), dann Es ist ein Falsch, doch mag man es eim Fursten machen.


Item von Aller arbeit mag ein goltschmidt Lons nemmen, Als er des ungeverlich geniessen mag oder wil, Doch sol man nyemannn vber billichs vbernemmen.


Item die Ordnung muss man vf den Jarmerkten vnd fust allen Goldschmieden, vnnd Kremern verkünden, Vnnd die sollnd fremd vnd heimisch, nüst (nicht) annders feyl haben, vekauffen, Dann was die Ordnung Erlyden mag, vnnd wellicher die ordnung darüber verbricht, der sol den gemelten penen In obgeschriebener maß underworffen sin, vund die zu yedem male geben.


Anekdoten von alten Gebräuchen und Sitten.

Wirthschaftsangelegenheiten.

Es haben Claus Morlock und Jörg Beckh als Weinschätzer dem Würth den Aymer neuen Wein pro 6 fl. erkauft, die Maas á 5 kr. so viel zu theure geschätzt, daß also kein fremder oder einheimischer keinen ehrlichen trunk in solchem Preyß mehr thun kann; solle jeder der Herrschafft zur Straf 1 Pf. Heller bezalen, und solle hinfüro kein Wein mehr schätzen, oder der Wirth ausschenken, er habe denn zuvor gnädiger Herrschaft, oder deren Bedienten zu wissen gethan, und aufgelegt, wie theur der Wirth den Wein erkauft, auch von welchem Orth er solchen herbringe, bey Straf 10 fl. Item soll Er Würth, weilen in ganzer Marggravschafft gebräuchig, daß kein Würth vor Martini neuen Wein ausschenke, und insonderheit weilen er keinen alten Wein darneben gehabt, der Herrschafft zu wohlverdienter Straff erlegen 2 Pf. Heller Laut Vogtbuchs.

Vogtgerichtsprotokoll von Mühlhausen an der Würm, 1682.


Berichtigung.

Gehres erzählt §. 2. seiner Chronik, daß im 10ten Jahrhundert Herzog Leopold von Schwaben in Pforzheim residirt, späterhin 985 einen Stutengarten angelegt habe, woraus nachher Stuttgart entstanden sey.

Dies ist ganz falsch. Gehres hat hier drei Fehler gemacht, die fast etwas zu grob sind. Ob Stuttgart seinen Namen von einem Stutengarten habe, ob, wie die alten Chroniken von Wolleb, Schwelin ec. erzählen, ein Markgraf Rudolf von Baden um das Jahr 1100, zu welcher Zeit gar kein Markgraf Rudolf lebte, die Gegend von Stuttgart seinem Schwiegersohne Johannes von Würtemberg, der ebenso erdichtet ist, als Heirathsgut für seine Tochter Anna oder Maria gab, lassen wir dahin gestellt seyn, da es mit der Geschichte Pforzheims in keinem nähern Zusammenhange steht. Sattler in seiner topographischen Geschichte Würtembergs hat alles dies ausführlich widerlegt. — Wir haben es hier nur mit Pforzheim zu thun.

Gehres nennt einen Herzog Leopold von Schwaben. Ein solcher hat aber nie gelebt. Gehres hat nur den alten Chronisten Nicodemus Frischlin, der bei seinen vielen Unrichtigkeiten von Gehres als zuverlässige Quelle benutzt ward, falsch gelesen. Der Herzog den Frischlin meint, hieß nicht Leopold, sondern Luithulf oder Ludolf, war der Sohn des teutschen Kaisers Otto des Großen, und bekam Schwaben durch seine Gemahlin Ida, Tochter des Schwabenherzogs Hermanns des Ersten. Ludolf lebte aber im Jahr 985 lange nicht mehr, denn er dankte 954 ab, und starb 957.

So weit die Namensunrichtigkeit. Aber auch die ganze Sache selbst beruht auf einem Irrthume, denn Pforzheim gehörte in jener Zeit nicht zu Schwaben, sondern zu Franken.

Nach Vertreibung der Römer waren die Alemannen völlig unabhängig geblieben bis in die Mitte des 6. Jahrhunderts. Als aber Chlodwig, König der Franken, im Jahre 486 den letzten Rest der römischen Macht in Gallien vernichtet hatte, griff er auch die Alemannen an, und schlug sie in der Schlacht bei Zülpich 496. Zwar geriethen dadurch die jenseits des Rheines, im heutigen Elsaß, wohnenden Alemannen unter fränkische Botschaft, denn die diesseitigen Alemannen hatten keinen Antheil an dem Kriege genommen; aber die Unterwerfung eines so bedeutenden Theils derselben mußte nothwendig auch auf den übrigen Theil des Volkes Einfluß äußern. Die diesseitigen Alemannen blieben indeß unabhängig bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts. Von dieser Zeit an erschienen aber die diesseitigen Alemannen als in einer Verbindung mit den Franken stehend, wahrscheinlich in Folge eines Vertrages, den die alemannischen Herzoge und Grafen mit dem Frankenkönige Theudebert schlossen. Doch hatte diese Vereinigung keinen Einfluß auf die Verfassung der Alemannen. Sie behielten ihre angeerbte Religion bei, während die Franken bereits Christen waren, auch ihre bürgerliche Verfassung, ihre angestammte Lebensweise ward dadurch nicht verändert.

Aber ein Stück Alemanniens scheint völlig abgetreten worden zu seyn, denn es wird von der Zeit an, wo die diesseitigen Alemannen mit den Franken in Verbindung treten, nicht mehr zu Alemannien, sondern unter dem Namen des rheinischen Frankens zum großen fränkischen Reiche gerechnet: es war der Landstrich vom Main bis zum Schwarzwalde. Dort lief die Grenze längs der Dos hin über die Nagold und Würm an die Rems. Dazu gehörte auch Pforzheim. Die Schicksale dieser Stadt sind daher nicht mit denen des eigentlichen Alemanniens, sondern des rheinischen Frankens verkettet, und wir werden dadurch auf die Spur geleitet, daß wir Pforzheim in etwas späterer Zeit, als diese Eintheilung allmählig in den aufblühenden Grafengeschlechtern untergieng, auch unter Besitzungen dieser Grafen zu suchen haben. Die Spuren leiten uns, wie wir später sehen werden, auf die Grafen von Calw.



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