Pforzheims’s Vorzeit.
Für Pforzheim und seine Umgebungen.

Du kleiner Ort, wo ich das erste Licht gesogen,
Den ersten Schmerz, die erste Lust empfand;
Sey immerhin unscheinbar, unbekannt,
Mein Herz bleibt ewig doch vor Allen dir gewogen! Wieland.

Nro. 16. Samstag den 18. April. 1835.

Pforzheim am Schlusse des 17ten Jahrhunderts.
Zweite Abtheilung.

2. Neue Verwüstungen. Treffen bei Pforzheim. Dritter Brand 1692.

(Fortsetzung.)

Diese Abgabe wurde späterhin in Geld verwandelt, und dafür 600 fl. verlangt. Während die Bürger sich bemühten, diese nicht geringe Summe aufzubringen, kam im November 1695 ein fürstlicher Befehl, daß statt der verlangten 600 fl. nur 200 fl. Entschädigung für den dreisigsten gegeben werden sollten. Aber diese 200 fl. mußten so in aller Eile geliefert werden, daß, da in der Stadtkasse gar selten Geld seyn konnte, diese Summe nicht auf die ganze Bürgerschaft umgelegt, sondern von den vermöglichern Bürgern beigetrienen werden konnte. Die regelmäßige Umlage geschah einige Tage nachher.

Im Monate Mai näherte sich die französische Armee unter Marschall de Lorges wieder unserer Gegend und lagerte sich bei Bruchsal. Diese Nähe des Feindes verursachte wieder allgemeine Flucht, und was damit unzertrennlich verbunden war, neue Verluste. Doch konnten die Bürger in der Mitte des Monats Juni wieder in ihre Wohnungen zurückkehren. Gleich nach der Rückkehr aus der Flucht begannen — auch es ist nicht klar, worin der Grund liegt — die allgemeinen Klagen wieder über das rohe Betragen der Garnison unter Hauptmann Krumhaar. Sie seyen so roh gegen die Bürger, und nähmen der Stadt Brennholz ohne weiteres im Walde weg, da doch die Stadt auch an dieser Garnison nichts weiters zu leiden hätte, als das bloße Obdach — nach dem Schluße der schwäbischen Kreisversammlung. Mehr aber als die immer nur halb befolgten Befehle des schwäbischen Kreises lag dem Stadt-Rath die gute Stimmung des französischen Commandanten und Oberkommissars zu Philippsburg am Herzen. Man wurde einig, denselben im Namen hiesiger Stadt und Bürgerschaft ein gut Essen Forellen zu übermachen.

(Fortsetzung folgt.)

Uebergabe des Zehntrechts in Ellmendingen von Hirschau an Herrenalb vom Jahre 1272*Eine, so viel wir wissen, noch nirgends gedruckte Urkunde.

Resignatio jurisdictionis quam dm. (domicilium?) de hirsaw in dominatione et decimationibus in elmendingen habuit transferendo eam ad albin.


Nos Vollandus, Abbas in hirsowe, totusque conventus ibidem, universis notum esse volumus per praesentes, quod cum Nos angariati rerum penuria et defectu universa bona nostra cum decimationibus in Elmendingen, a nobis quondam ad Dominum Simonem militem de Kunegesbach transferre venditionis titulo compelleremur, nec id quoquo modo revocare possimus, maxime quia talis vendicio et alienacio nostris fuerat confirmata sigillis, postmodum quoque Abbas et monachi in Alba ordinis cysterciensis, sibi praedicta bona comparare volentes, nos accessere, rogantes, ut si quid in eisdem bonis juris haberemus, ut videremus habere, abrenunciare, et litterarum nostrarum confirmatione, resignare vellemus, uti via omnis impetitionis, et calumpniae materia praecluderetur, qne ipsis super eisdem bonis posset in posterum suboriri, Nos itaque peticionem eorum in hac prompte libere admittentes attestatione praesentium, nostris confirmatarum sigillis, publice profitemur, quod omni jurisdictioni, quam in praedictis bonis et decimationibus, siue alio quocunque nomine censeantur, in marchia siue parrochia predicte ville elmendingen sitis, habuimus vel habere videbamur, preter ipsum jus patronatus, abrenunciamus libere resignando transferentes et transferendi facultatem dantes ad monasterium praelibatum, ex intimo uostri cordis affectu gaudemus, quod cum praefata bona a nobis alienata, ad ipsos fuerint legitime devoluta, praecipue quia hiscum ipsis sub una regula, quamvis habitu et veste dispari militamus.

Datum apud Hirsaugiam Anno Dominice incarnationis millesimo ducentesimo septuagesimo secundo. feria tertia post palmae (sc. dominicam).

* * *

Für diejenigen unserer Leser, die der lateinischen Sprache unkundig sind, stehe hier der Hauptinhalt der Urkunde in teutscher Sprache:

Wir Volland, Abt von Hisowe (Hirschau) und der ganze Convent daselbst, thun durch gegenwärtige Urkunde allen zu wissen, daß, da wir durch Geldmangel beengt alle Unsere Güter mit Zehnten in Ellmendingen, einst an Herrn Simon, Ritter von Kunegesbach (Königsbach) kaufsweise zu übergeben bewogen wurden, und wir dies auf keinerlei Weise widerrufen können, hauptsächlich weil solcher Verkauf und Veräußerungsakt mit unsern Insiegeln bekräftigt war; nachher auch Abt und Mönche in (Herren-) Alb, Cystercienser Ordens, welche die genannten Güter zu besitzen wünschten, Uns bittend angiengen, daß Wir unserm Rechte auf jene Güter entsagen, und darüber eine Urkunde ausstellen sollten, um jegliche Ansprache und jeglichen Stoff zu Verläumdungen, der ihnen über diese Güter inskünftige etwa erwachsen könnte, auszuschließen, und bekennen und bezeugen durch gegenwärtige durch Unsere Insiegel bestätigte Urkunde öffentlich, daß Wir aller Gerichtsbarkeit (und Eigenthumsrecht) welche wir auf genannte Güter, Zehntgefälle ec. in Gemarkung oder Kirchsprengel des genannten Dorfes Ellmendingen haben, freiwillig entsagen, und dieselbe, jedoch mit Vorbehalt des Patronatsrechtes an genanntes Kloster übertragen; wobei wir uns freuen, daß, da wir doch einmal die genannten Güter veräußern, dieselben rechtmäßigerweise an jene (Mönche in Herrenalb) übergegangen sind, insbesondere weil Wir mit ihnen nach Einer Regel, wenn auch an Kleidung und Haltung verschieden, dienen.

Gegeben bei Hirschau im Jahr der Menschwerdung des Herrn eintausend zweihundert zwei und siebzig; am Mittwoch nach Palmsonntag.


Die Kaiserlichen in Pforzheim.

Erzählung aus dem Jahre 1643.
2.

Fortsetzung.

Anna, die einzige Tochter des Hochwächters, war ein blühendes hochaufgeschossenes Mädchen von 18 Jahren. Da sie das einzige Kind war, hatte ihr Vater viel an ihre Erziehung gewendet, mehr als sonst Männer seines Standes zu thun pflegten. Sie war auf Veranstaltung ihres Vaters mehrere Jahre in dem Hause des alten Georg von Steinfels gewesen, und hatte dadurch einen Grad von Bildung erlangt, den man sonst nicht leicht unter Töchtern ihres Standes suchte. Ihr Vater ward reichlich belohnt für seine Sorgfalt durch die liebende Aufmerksamkeit und Folgsamkeit, die sie ihm stets bewiesen hatte. Aber heute war sie nicht so gehorsam, wie sonst. Sie antwortete zwar mehrmals auf den Ruf ihres Vaters: ich komme! kam aber immer nicht. Sie stand am Eingange des Thurmes; um ihren Hals hatte ein junger Mann seinen Arm geschlungen. Es war eine über die Jahre kräftige Gestalt. Seine brauen Haare hiengen in langen natürlichen Locken über den Nacken hinab, und seine Augen schienen in der dunkeln Nacht zu leuchten. Es war der junge Tischinger, den wir schon kennen. Wir können ihr Gespräch nicht belauschen, denn der Vater rief schon zum Drittenmale.

Wir müssen uns jetzt trennen, sprach Anna mit sanfter, klarer Stimme, sonst wird der Vater böse. Lebe wohl, Joachim.

Lebe wohl, Anna, erwiederte Tischinger und schied mit einem feurigen Händedruck von ihr.

3.

Wir lassen jetzt den Hochwächter seinen Zank mit seiner Tochter allein ausmachen und überspringen einige Wochen bis zum 22. April. Es waren peinliche Wochen für die Bürger Pforzheims. Die schrecklichen Gerüchte, die vor den sich langsam der Gegend von Pforzheim nähernden kaiserlichen und baierischen Truppen vorausgiengen, hatten jedes Gemüth mit banger Furcht erfüllt. Beinahe jeden Tag kamen neue Nachrichten über die Grausamkeit und Zügellosigkeit derselben. Aber immer noch war Pforzheim, ungeachtet fast jeden Tag die Schreckensbotschaft: "die Kaiserlichen kommen," die Bürger aufgeschreckt hatte, von ihnen verschont geblieben.

Am Morgen des 22. Aprils saß Katharine Erbach in ihrem Stübchen in des alten Tischingers Hause. Ihre Hände waren mit der vor ihr liegenden Arbeit beschäftigt, aber nicht ihr Geist. Ihre Augen waren nur vorübergehend auf die Arbeit gerichtet; mancher Blick gleitete hinweg über die Arbeit in das Freie, als ob er hindurchdringen wollte durch Häuser, Städte und Dörfer, und in der Ferne ein Gut suchte, wornach das Herz ängstlichhoffend sich sehnte; bald aber senkte sie ihr Auge wieder abwärts zu einem sechsjährigen Kinde, das neben ihr auf dem Fußboden ein Spiel spielte, unbekannt mit der Mutter tiefem Grame. Endlich legte sie ihre Arbeit weg, ergriff mit Hast ihr Kind und zog es an ihre Brust, aus der mancher Seufzer sich hervordrängte, und still floßen die Thränen.

"O mein Kind, meine vaterlose Waise! rief sie in ihrem Schmerze, und ihre Thränen floßen heftiger. Erbach Erbach! wie kanntest du mir das anthun? Habe ich das um dich verdient! O Erbach! Ihr Haupt sank auf die Brust, und der Gram schien sie zu überwältigen.

Da ertönte die Musik des Morgengottesdienstes herüber von der Heiligkreuzkirche. Sie erhob langsam ihr Haupt und schien aufzuhorchen. Endlich stand sie auf, gieng mit langsamen Schritten im Zimmer auf und ab und blieb endlich am Fenster stehen. Die Gemeinde begann zu singen. Es war Churfürst Johann Friedrichs von Sachsen schönes Lied:

Wie’s Gott gefällt, so g’fällt mir’s auch,
Und laß mich gar nichts irren;
Ob mich zu Zeiten beißt der Rauch,
Und wenn sich schon verwirren
All‘ Sachen gar; ich weiß fürwahr,
Gott wird’s zuletzt wohl richten.
Wie er’s will han, so muß es gan,
Soll’s seyn, so sey’s ohn‘ dichten.

Da brach die Spitze ihres Grames und er löste sich auf in Thränen der Wehmuth.

Sie hörte einen kräftigen Männertritt auf der Stiege; gleich darauf öffnete sich die Thüre und ein stattlicher Mann, jener geheimnißvolle Fremde, trat ein.

Verzeiht, werthe Frau, begann er, wenn ich zur ungelegenen Stunde komme; die Zeit drängt. Aber wie? Immer noch pflegt Ihr Euern nagenden Gram? Straft denn mein Gesicht meine Worte so sehr Lügen?

""Vergebt mir, mein Herr, erwiederte sie, indem sie
""ihre Thränen trocknete, die sie vergebens zu verbergen suchte.
""Ihr thut mir unrecht. Wie könnt Ihr mich dessen
""beschuldigen, da doch das Zutrauen, das wir Euch schenken, ohne
""Euern Namen zu kennen, Bürgschaft genug vom
""Gegentheile seyn kann?""

"Ich begreife Euch nicht. Nicht erst seit gestern kennt Ihr mich bis auf meinen Namen, und es ist nicht das erste Wort, das ich mit Euch spreche. Ihr habt mir allerdings mehr als Einmal Vertrauen bewiesen, und doch scheint jedes Wort, das ich zu Gunsten Eures Gatten sage, unvernommen an Eurem Ohre vorüberzugehen. Warum traut Ihr mir denn hierin nicht?"

""Wie mögt Ihr mich aber nur so mißverstehen,
""erwiederte Katharine mit klagendem Tone. Wie gerne, ach wie
""gerne möcht‘ ich jedem Eurer Worte glauben! es ist ja der
""erste, der einzige Wunsch meines Herzens! Aber wie kann
""ich es? Ihr selbst könnt nicht läugnen, daß er unter den
""kaiserlichen Truppen dient, und was läßt sich denn zu
""seiner Rechtfertigung sagen? Was ihn auch immer
""bewogen haben mag, unter die katholischen kaiserlichen
""Truppen zu treten, wie kann er den Vorwurf von sich
""abwälzen, daß, da er in ihren Reihen kämpft, er auch zu
""Beförderung ihrer Grausamkeiten beiträgt?""

"Werthe Frau, entgegnete der Fremde, es ist keine Zeit mehr vorhanden, alles das zu wiederholen, was ich Euch schon so oft gesagt habe. Wie auch immer der Schein gegen Andreas Erbach seyn mag — die Zeiten, in denen wir leben, haben schon manchen ehrlichen Mann in Lagen gebracht, wo der Schein ihn verurtheilt."

""O, daß ich darüber eben so ruhig seyn könnte, als
""Ihr! Aber wenn ich auch vergessen wollte, daß er gegen
""die Glaubensgenossen kämpft, zu denen wir alle, zu
""denen alle seine Verwandte, Freunde und Mitbürger
""gehören — das könnt Ihr nimmermehr entschuldigen, daß er
""seinem Glauben entsagte!""

"Ich wiederhole es Euch wieder, sprach der Fremde mit entschiedenem, aber keineswegs rauhem Tone, ich wiederhole es, daß ich das für unmöglich halte. Aber ich hoffe, es soll, ob Gott will, bald eine Zeit kommen, wo Ihr Ursache haben werdet, Euch Eures — daß ich es sagen darf — ungerechten Mißtrauens zu schämen."

""Daß Ihr das erweisen könntet! rief Katharine. Aber
""wenn Ihr selbst falsch berichtet wäret, wenn Ihr
""Hoffnungen in meinem Herzen erwecktet, und statt ihrer
""Erfüllung käme zuletzt nur die Bestätigung dessen, was ich
""fürchte! O eine solche Täuschung wäre bitterer, als mein
""jetziger Gram!"" — Ihre Thränen flossen aufs Neue.

"Kommt, werthe Frau, sprach der Fremde mit dem Ausdruck der Theilnahme, dies war nicht die Stimmung, in der ich Euch treffen wollte. Kommt, wenn es Euch gefällig ist, mit mir hinab zu unserm beiderseitigen Freunde. Dort muß ich sagen, was ich jetzt nicht zu sagen wage."

Sie gieng mit ihm hinab in den untern Stock des Hauses, wo der alte Tischinger wohnte.

Staunend blickten die beiden Tischinger auf, als sie den Fremden mit Katharine Erbach hereintreten sahen.

"Wundert Euch nicht, meine Freunde, sprach derselbe. Wenn es zum Handgemenge kommt, kümmert sich der Soldat wenig darum, ob sein Helmbusch sich auch auf die richtige Seite neige. Ich habe nur noch wenige Zeit übrig, und kann sie nicht an äußere Formalitäten verschwenden."

""Wie? wollt Ihr uns verlassen? riefen wie aus einem Munde Vater und Sohn. Was treibt Euch so schnell fort.""

"Ich muß. Vielleicht heute noch rücken Horn und Erlisheim vor die Stadt."

""So heißt es schon seit drei Wochen täglich,"" erwiederte der Alte ruhig.

"Verlaßt Euch nicht auf diese Zögerung, erwiederte bedeutungsvoll der Fremde. Vielleicht noch heute!"

""Das ist gar unmöglich; sicherlich müßte doch die
""Nachricht vor ihnen vorausgehen, und wozu denn
""sonst die vielen ausgeschickten Kundschafter?""

"Langes Warten macht lässig, erwiederte kurz der Fremde, und —"

""Still! was war das?"" rief heftig der junge Tischinger, der sich während des Gesprächs dem Fenster genähert hatte.

(Fortsetzung folgt).


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